
Das war schon ein Ding.
Verwerflich und geheimnisvoll zugleich.
Sex sells?
Never. Das ist es nicht.
Es ist der Wunsch, das Verhüllte aufzudecken, um sich dann am Enthüllten zu delektieren. Ein Wunsch, der vom Cover des Playboys ebenso und in gleicher Weise ausgelöst wird, wie vom Deckblatt des gesicherten Gutachtens des Bundesamtes für Verfassungsschutz.
Es kommt auch immer zum gleichen Ergebnis. Das Aufgedeckte ähnelt dem bereits Bekannten so sehr, dass das Interesse schnell wieder in sich zusammenfällt, von ein paar frühpubertierenden Kindern vielleicht abgesehen, für die diese erste Begegnung mit dem Geheimnisvollen jedoch lebenslang prägend bleiben kann.
Wie auch immer es dazu gekommen sein mag. Plötzlich findet man keine Website mehr, die einen nicht anschreit, man habe das ganze geheime Gutachten zum Download für jedermann auf dem Server. Natürlich hat da auch überall jemand schon hineingeschaut und seinen Senf dazu gegeben. Allgemeiner Tenor: Nichts Neues – und das Alte: eher lächerlich.
So könnte man meinen, Faesers letzter großer Ballon, mit allen verfügbaren Kräften auf 1.108 Seiten aufgeblasen, sei der Sonne, die es an den Tag zu bringen pflegt, zu nahe gekommen und geplatzt.
Jetzt allerdings zu glauben, der Vorhang sei gefallen, das durchgefallene Stück könne getrost vergessen werden, alles zurück auf Anfang, wäre gefährlich. Der momentane Zustand soll beruhigen und ablenken. Good Cop, bad Cop. Dass da im Verhör gerade ein bisschen auf „Alles nicht so schlimm!“ gemacht wird, und „Der Verfassungsschutz hat nichts wirklich Wichtiges vorgetragen“, darf nicht vergessen machen, dass die AfD nach wie vor verboten werden soll.
Die Hoffnung, das ginge mit diesen „Beweisen“ nicht, stammt aus den höchst einseitig betrachtenden und wertenden Stellungnahmen von hochkonservativen Leuten, um nicht zu sagen, direkt aus der AfD und ihrem gesicherten Umfeld. Dass da auch einige Spezialisten für Verfassungsrecht darunter sind, ändert daran nichts. Das Grundgesetz befindet sich in einer Dehnbarkeitsprüfung und an den Messgeräten sitzen nicht die Rechten, auch nicht die Neutralen, sondern ausschließlich die verantwortlichen Politiker der frisch installierten Regierung.
Man kann die „Beweise“ des Bundesamtes für Verfassungsschutz als irrelevant abtun und siegesgewiss die Korken knallen lassen. So haben sich die Bewohner von Troja auch einlullen lassen, als die Belagerer sich zurückgezogen hatten.
Das heißt aber noch lange nicht, dass das Bundesministerium des Inneren diese Beurteilung teilen muss!
Nein. Das können die ganz anders sehen, und, und das ist das Schöne, sie haben auch die Möglichkeit, dies verbindlich festzustellen.
Die Schlussfolgerung im Gutachten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die AfD sei gesichert rechtsextrem, kann doch schlicht und einfach als gesichert zutreffend angenommen werden. Wer will sich denn wie dagegen wehren?
Da müsste ja erst einmal eine brauchbare Definition von „gesichert rechtsextrem“ auf den Tisch. Gibt es aber nicht. Man kann der AfD daher lächelnd erklären: „Liebe Leute, das, wovon ihr glaubt, wir würden es euch unterstellen, darum geht es doch gar nicht. Da habt ihr auch recht. So seid ihr wirklich nicht. Aber darum geht es nicht. Das halten wir euch ja gar nicht vor. Gesichert rechtsextrem fängt jetzt schon viel früher an. Unterhalb der Strafbarkeitsgrenze, sozusagen. Und alles was euch in diesem Zusammenhang zur Last gelegt wird, habt ihr doch selbst gesagt und zugegeben. Alles ist öffentlich bekannt. Wogegen klagt ihr also?“
Mit dieser Argumentation gelangen wir in das breite Feld, auf dem die Verfahren wegen der Delegitimierung des Staates, der Beleidigung nicht monarchischer Majestäten, der Diskriminierung von Minderheiten, etc., in voller Blüte stehen und die überall aus dem Boden schießenden Meldestellen dafür sorgen, dass der Nachschub gesichert bleibt und die Stimmung nicht kippen kann.
Es ist zu befürchten, dass alle diese Maßnahmen zur Disziplinierung von Hinz, Kunz, Krethi und Plethi, jenen Hintergrund bilden sollen, vor dem das Verhalten der AfD erst in seiner vollen Schrecklichkeit erkennbar wird. Wo kleinste Kleinigkeiten, wie z.B. ein Witz mit Haarpflegemitteln, drakonisch bestraft werden, muss doch, wenn man nicht zweierlei Maß anlegen will, der grundgesetzwidrige und tausendmal schlimmere völkische Volksbegriff der AfD unweigerlich zum Parteiverbot führen.
Der inflationäre Gebrauch der Titulierung „Nazi“ hat Methode. Er hat durch massenhaften Gebrauch bei den Betroffenen zwar eine abstumpfende Wirkung, doch auch das gehört zum Kalkül. Sie sollen sich zeigen die Nazis. Damit wir sie erkennen. Sie sollen sich stark und unangreifbar fühlen. Das macht sie doch erst richtig gut handhabbar.
Die Veröffentlichung des Geheimdossiers hat für die Bevölkerung eine wichtige Konsequenz. Es ist jetzt klar, was gegen das Grundgesetz verstößt. Jeder kann es wissen, niemand kann Unkenntnis, Zufall oder gar Satire vorschützen.
Das freudige Grinsen über den vermeintlichen Rohrkrepierer des Verfassungsschutzes wird uns allen noch schnell und gründlich vergehen.