Die Absurdität der Unschuldsvermutung im Gesinnungsstrafrecht

Ein traurig-satirisches Pamphlet

Verderbliche Strömungen fehlgeleiteten Denkens sind in den letzten Jahren ganz massiv aus ihren Nischen heraus in den gesamtgesellschaftlichen Diskurs eingedrungen und haben zu ihrer Abwehr die Reaktivierung fast vergessener Leitsätze des Gesinnungsstrafrechts erzwungen. Insbesondere auf die Gerichte sind damit besondere Herausforderungen zugekommen, denen ein Teil der Richter geradezu hilflos gegenübersteht, weil ihnen der Grundsatz aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention dabei im Wege steht. Dort heißt es: „Jede Person, die einer Straftat angeklagt ist, gilt bis zum gesetzlichen Beweis ihrer Schuld als unschuldig.“

Dass dieser Grundsatz bei Gesinnungsstraftaten nicht angewendet werden kann, soll hier aus den Grundsätzen der Staatlichkeit hergeleitet werden und dazu beitragen, künftigen Gesinnungsstraftätern, auch wenn sie sich heimtückisch unterhalb  der Strafbarkeitsgrenze bewegen, nachhaltig und mit der ganzen Härte des Gesetzes entgegenzutreten.

Fundamentales

Aufgabe, Zweck und Ziel des Rechtsstaates, seiner Institutionen und Repräsentanten ist es, den inneren Frieden zu bewahren. Innerer Frieden bedarf jedoch der Einigkeit, nicht nur in der Unterstützung der Staatsziele, sondern eben auch im viel Grundsätzlicheren, nämlich einer übereinstimmend-einigen und einigenden Gesinnung. Zur Sicherung dieser Gesinnung hat sich der Rechtsstaat Instrumente  geschaffen, die ihm dazu verhelfen, abweichende Gesinnungen früh zu erkennen, ihre Äußerungen einzudämmen und die Masse der Bevölkerung vor diesen destruktiven, entzweienden bisweilen auch entvierenden, oder mehr, Einflüsterungen zu schützen. Die Stärke des Rechtsstaats liegt in der übereinstimmenden Gesinnung seiner Bürger.

Ist der Rechtsstaat zudem eine Demokratie, ergibt sich eine Komplikation daraus, dass Staatsziele, Gesetze und exekutive Maßnahmen aus einer diffusen Vielzahl von Vorstellungen und Meinungen auf dem Weg über freie, gleiche und geheime Wahlen, immer wieder erst von einer gewählten Mehrheit neu bestimmt und interpretiert werden müssen, während die träge Masse diesen Veränderungen nicht zu folgen vermag und sich zum Teil sogar widerspenstig in Formen der außerparlamentarischen, bzw. undemokratischen Opposition organisiert. Dies ist so lange im Sinne des demokratischen Grundgedankens, wie sich der Streit auf Fragen des Weges bezieht, während über die Ziele als solche Einigkeit gewahrt werden kann. Führt eine überbordende Demokratie jedoch dazu, dass selbst die Ziele in Frage gestellt und im Extremfall erbittert bekämpft werden, geht mit der Einigkeit auch der innere Frieden verloren, was den Rechtsstaat, innerhalb dessen die Demokratie überhaupt nur gelebt werden kann, zwingt, zur Rettung des Staates, seiner Institutionen und Repräsentanten, energisch und mit der notwendigen Härte einzugreifen.

Die kontraproduktive Unschuldsvermutung

Im Strafprozess herkömmlicher Art, in dem auf der einen Seite die zweifelsfrei dokumentierten Folgen einer Tat stehen, gleichgültig, ob es sich nun um die Leiche eines Erschlagenen oder um die leergeräumten Vitrinen des Juweliergeschäfts handelt, während auf der anderen Seite ein von der Polizei ermittelter Verdächtiger steht, ist es zwingend erforderlich, die Verbindung zwischen dem Verdächtigen und der Tat so zweifelsfrei als irgend möglich nachzuweisen. Dies gelingt nicht in allen Fällen, gestaltet sich in vielen Fällen als schwierig und bleibt, insbesondere da, wo der Verdächtige die Tat bestreitet, problematisch, so dass aus dem Grundsatz: „In dubio pro reo“ logisch abgeleitet werden  kann, dass der Verdächtige bis zum gegenteiligen Richterspruch als unschuldig zu gelten hat. Das ist Rechtsstaatlichkeit vom Feinsten und daran soll hier auch nicht gerüttelt werden.

Im Gesinnungsstrafrecht sieht die Lage gänzlich anders aus.

Der Zusammenhang zwischen Tat und Täter steht in der Regel unzweifelhaft fest. Die streitgegenständlichen Äußerungen in Wort, Bild und Ton werden vom Angeklagten in keiner Weise bestritten. Er ist zumeist sogar in einer schwer zu ertragenden Weise provokativ geständig und beruft sich, und das ist der Pferdefuß, darauf, es sei sein gutes, von der Meinungsfreiheit gedecktes Recht nicht nur gewesen, sondern auch weiterhin, auf diese seine Weise Zwietracht zu säen, den Staat und seine Institutionen und Repräsentanten zu delegitimieren – und strafbar könne das, auch im Lichte der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 22. Juni 2018 – 1 BvR 2083/15 -, Rn. 1-35) – nachfolgend auszugsweise wiedergegeben – nicht sein: