Wenn die Not groß ist, kommen die Menschen auf die verrücktesten Ideen.
Da heißt es dann: „Übel muss Übel kurieren“, oder, „der Feind meines Feindes ist mein Freund.“
Etliche Jahre hat es gehalten, das Gelöbnis, das Wachstum der Staatsschulden zu begrenzen, indem man einen großen, alten Drachen, nämlich das deutsche Grundgesetz, damit beauftragte, über die Verschuldungsgelüste der Politiker zu wachen und jeden mit einem Feuerstoß aus den Nüstern zu grillen, der verschuldungsmäßig über die Stränge schlagen wollte.
Das Ziel war klar erkennbar, auch wenn es nicht öffentlicht deklariert wurde: Man wollte die öffentlichen Hände auf allen Ebenen dazu zwingen, Volkseigentum zu verkaufen, um sich die gewünschte Liquidität zu verschaffen. „Privatisierung“ nannte man das. Dass Private viel besser wirtschaften könnten als Politiker, erklärte man obendrein, und privatisierte was sich privatisieren ließ, von den kommunalen Wohnungsbeständen bis zur Trinkwasserversorgung. Anderes, wie die LKW-Maut, wurde gleich von Anfang an in private Hände gelegt. Das ging eine ganze Weile gut – und jetzt geht anscheinend nichts mehr. Das hat mehrere unterschiedliche Gründe:
- die Filetstücke sind schon weg,
- die gesamtwirtschaftliche Lage reizt nicht besonders, noch in deutsche Infrastruktur zu investieren,
- vor allem aber übersteigt der Finanzbedarf längst die noch möglichen Erlöse aus weiteren Privatisierungen. Selbst die Bahn, die noch vollständig im Bundesbesitz ist (nun ja, Schenker wurde inzwischen noch verkauft, aber den haben die meisten Bundesbürger sowieso nie als Bundesunternehmen erkannt), würde nicht das abwerfen, was Kanzlerkandidat Habeck schon bräuchte, um den bereits angerichteten Schaden zu ersetzen, geschweige denn die kühn anvisierte Transformation jemals vollständig abzuzahlen.
Also muss der Drache getötet werden. Oder eben umprogrammiert. Was gestern noch gut war, soll heute schlecht sein. Wer sich noch schützend vor den Drachen stellt, ist ein Ewiggestriger, der die Erfordernisse der Zeit nicht erkennt. Es war, verzeihen Sie den Gedankensprung, ein Lindenblatt, das Siegfried, der im Drachenblut gebadet hatte, die eine, verwundbare Stelle beließ, und es war Krimhild, die, damit Hagen diese verwundbare Stelle beschützen könne, ein hübsches Kreuzchen auf seinen Umhang stickte. Wer wird wohl in den nächsten Wochen Lindners verwundbare Stelle markieren, wer wird ihn dann dort treffen, damit die Schuldenbremse wieder fällt?
Die Schuldenbremse war ein Blödsinn. Die Aufhebung der Schuldenbremse wird der nächste Blödsinn. Politiker, denen das Wissen fehlt, und die – wo es ihnen beigebracht wird – jegliche Einsicht vermissen lassen, was Staatsfinanzen sind und wie damit sorgfältig umgegangen werden sollte, wenn Schaden vom Volke abgewendet und sein Nutzen gemehrt werden soll, werden sich das Geld für ihre Pläne immer irgendwie besorgen.
Man kann sie auch mit Grundgesetzartikeln nicht daran hindern. Man kann sie auch mit Verfassungsgerichtsurteilen nicht daran hindern. Nicht wirklich.
Was war das für ein Aufschrei aus Politikermund, als das Verfassungsgericht zu der Entscheidung gelangte, dass „übriges Geld“ nicht einfach so aus seiner Zweckbestimmung herausgelöst und einem andern Zweck zugeführt werden darf. Das kennen die nicht, die Politiker. Es gibt schließlich keine zweckgebundenen Steuern, wie soll es da zweckgebundene Kredite oder Kreditermächtigungen geben? Aber gut. Ist ja kein Problem. Machen wir halt einen Nachtragshaushalt und ein Sondervermögen und noch ein Sondervermögen und dann eben noch einen „zeitlich befristeten“ Fonds. Mein Gott! Wir brauchen das Geld doch. Und bevor da wieder einer zum Verfassungsgericht rennt, um uns die finanzielle Luft abzuschnüren, ändern wir halt die Rechtsgrundlage des Verfassungsgerichts.
Im „Wildschütz“ von Lortzing singt Baculus:
Doch warum die Zeit jetzt töten
Und mit Plänen martern mich?
Habe ich erst die Moneten,
Findet schon das Weitre sich.
Fünftausend Taler! Das ist ein Wort,
So voluminös, so numerös, So pekuniös und so famös!
Beschlossen ist’s im Weltenplan,
Ich werd‘ ein hochberühmter Mann!
Es sauset und brauset, es sumset und brumset,
Es schimmert und flimmert,
es krabbelt und zappelt Im Körper, vor Augen und Ohren mir.
Beschlossen ist’s im Weltenplan,
Ich werd‘ ein hochberühmter Mann!
Für alle, die es mit den komischen Opern nicht so haben: Baculus hat seine Braut für diese 5.000 Taler verkauft.
Ist es nicht so, dass es auch in Berlin derzeit sauset und brauset, sumset und brumset, schimmert und flimmert? Mir jedenfalls kommt es so vor.
Da macht sich eine quasi wintersportliche Begeisterung breit. Ski anschnallen und runterbrettern ins Tal. Unten winken Jagertee und die heiße Pistenfee.
Von den Mühen des Aufstiegs hat ja keiner mehr eine Ahnung. Wozu gibt’s denn den Lift?
Schaut euch um, Ampelianer! Seht ihr irgendwo einen Lift, der Deutschland wieder nach oben bringen wird, wenn ihr es bis ins Tal der Tränen hinuntergewirtschaftet haben werdet?
Man muss sich vorstellen, wie die freundlichen und hilfsbereiten Menschen in der Schuldnerberatungsstelle mit Leuten umgehen, die tief in der Schuldenfalle stecken. Auch wenn einer nur mit 25.000 Euro in den roten Zahlen steckt: Den Wunsch, einfach noch weitere 5.000 oder 10.000 Euro aufzunehmen, weil unbedingt noch ein gekrümmter OLED-Fernseher her muss, bevor mit dem Sparen angefangen werden kann, wird man dort mit Verwunderung aufnehmen
Alle Beispiele hinken.