
Der Mindestlohn ist Sozialismus.
Natürlich ist der Sozialismus weit mehr als nur Mindestlohn, aber der Mindestlohn gehört eben zwingend in den Werkzeugkasten einer staatsgelenkten Wirtschaft.
Der Mindestlohn alleine ist aber eine Fehlkonstruktion. Zum Mindestlohn gehört zwangsläufig das staatlich festgesetzte Preisniveau, am besten ein staatlich festgesetzter Preis für jeden im Handel angebotenen Artikel. Nur so lässt sich nämlich ein Mindest-Warenkorb zusammenstellen, der dem Mindestlöhner den Mindest-Lebensstandard sichert.
Ohne Preisbindung werden die Unternehmer nämlich alle Kostensteigerungen, wie sie durch die Einführung oder die Erhöhung von Mindestlohnsätzen entstehen, schlicht auf die Preise umlegen, mit dem Effekt, dass der Warenkorb mit dem gerade eingeführten Mindestlohn wieder nicht bezahlt werden kann.
Mit Preisbindung ist dieser Ausweg verschlossen. Der andere Ausweg ist schwerer zu verschließen. Die Unternehmen passen ihre Belegschaften nach unten an. Weniger Arbeitsstunden können ausreichen, um den gestiegenen Lohnanteil in den Gesamtkosten zu kompensieren. Da die Mindestlöhner (und evtl. nicht nur die) mit weniger Arbeitsstunden auch weniger verdienen, macht das wiederum den geplanten Warenkorb unbezahlbar.
Mindestlohn und Preisbindung müssen also um ein weiteres Element ergänzt werden, nämlich eine Beschäftigungsquote pro Umsatz. Die kann – branchenspezifisch – so festgelegt werden, dass Vollbeschäftigung erzielt wird. Vollbeschäftigung bei vollem Lohn, mindestens Mindestlohn, treibt allerdings in den allermeisten Unternehmen die Kosten in die Höhe und das Betriebsergebnis in die Verlustzone.
Da freut sich der Sozialist, denn wenn ein Unternehmen aufgegeben wird, weil es sich nicht mehr rentiert, kann es doch verstaatlicht werden. Ein verstaatlichtes Unternehmen ist eine wunderbare Sache. Der Plan schreibt die Produktion, die Preise, die Mitarbeiter und die Löhne vor, und das so, dass am Schluss alles irgendwie aufgeht. Es wird soviel für den Konsum produziert, wie von den Konsumenten bei festgesezten Löhnen und Preisen bezahlt werden kann, darüber hinaus werden natürlich noch viele andere Sachen produziert, Investitions- und Rüstungsgüter, beispielsweise, die quasi automatisch anfallen, ohne wirklich etwas zu kosten. Alles eine Frage der Preis- und Lohngestaltung.
Nach den Berechnungen der Planungskommission muss das, über alles betrachtet, zu null aufgehen. Die unvermeidlichen Differenzen treten in den Einzelunternehmen auf, wo sie aber nicht verbleiben dürfen. Sonst wäre der SEB Damenschuhe über die Jahre unermesslich reich und der SEB Feine Backwaren nach einem halben Jahr pleite. Die Lösung ist einfach: Alle Umsatzerlöse fließen in die Staatskasse, alle Kosten werden aus der Staatskasse finanziert. Was dabei übrig bleibt – und dafür sorgt die Preisgestaltung – fließt in den Straßenbau, in Schulen, Panzer und Raketen.
Es ist empirisch erwiesen, dass dieses Modell eher unbefriedigend funktioniert.
Wie aber wirkt sich nun der Mindestlohn ohne weitere Elemente der sozialistischen Planwirtschaft aus?
Es ist eigentlich ganz einfach: Der Mindestlohn macht uns alle ärmer und beschädigt die Kaufkraft im Binnenmarkt.
Die KI von Google weiß:
Im April 2024 bezogen rund 6,3 Millionen Beschäftigungsverhältnisse einen Stundenlohn unterhalb der Niedriglohnschwelle von 13,79 Euro, was etwa 16% aller Jobs entsprach, so das Statistische Bundesamt. Etwa 9,3 Millionen Beschäftigte verdienten weniger als 14 Euro brutto pro Stunde, was 23,35% aller Beschäftigten entspricht, so eine Analyse der Tagesschau. Der gesetzliche Mindestlohn liegt aktuell bei 12,82 Euro pro Stunde, informiert das Bundesarbeitsministerium.
Daraus lässt sich – unter Berücksichtigung des hohen Teilzeitanteils – abschätzen, dass die Erhöhung des Mindeslohns auf 14,60 Euro zu Mehrkosten von rund 11 bis 12 Milliarden Euro pro Jahr führen wird. Das ist gemessen am privaten Konsum, der 2024 bei etwa 2,27 Billionen Euro gelegen hat, nicht wirklich viel, gerade einmal ein halbes Prozent. Andererseits ist es deutlich mehr als der prozentuale Rückgang des BIP, über den – zu recht – so viel geklagt wird.
- Ein Teil dieser Mehrkosten wird von den Unternehmen durch Einsparungen beim Personal aufgefangen. Folge: Was an Löhnen an die einen mehr bezahlt werden muss, wird an Löhnen für die anderen wieder eingespart. Teilweise vollzieht sich der Wechsel vom Job ins Bürgergeld.
- Ein Teil dieser Mehrkosten bleibt in den Unternehmen und mindert den Gewinn. Folge: Sinkende Gewinne, weniger Investitionen, Geschäftsaufgaben, Insolvenzen.
- Der überwiegende Teil der Mehrkosten wird in den Preisen weitergegeben. Folge: Einerseits rückgängiger Mengenumsatz, sinkende Gewinne, Geschäftsaufgaben, Insolvenzen. Andererseits wird Kaufkraft im Markt umgeleitet. Branchen mit unverzichtbaren Produkten kannibalisieren Branchen mit leichter verzichtbaren Produkten, auch hier die Folge: Umsatzrückgang, sinkende Gewinne, Geschäftsaufgaben, Insolvenzen.
Höhere Mindestlöhne erhöhen die nachfragewirksame Kaufkraft im Markt nicht. Sie stellen keinen Wachstumsimpuls dar. Ihre Wirkung entfaltet sich einerseits in steigender Inflation, andererseits in sinkender Beschäftigung und vielleicht im Gewinn von Wählerstimmen für die Vertreter einer präsozialistischen Wirtschaftspolitik.
Und jetzt Tacheles!
Jene, die nichts können, weil sie nichts gelernt haben, und jene die nichts leisten wollen, weil man mit staatlichen Transferleistungen doch auch ganz gut über die Runden kommt, sind ein großes, belastendes Problem für Deutschland. Sie sind nicht das einzige große, belastende Probleme, aber sie sind eben auch ein Problem, das wir nicht wahrnehmen wollen und es stattdessen lieber mit Geld zuschütten.
Wie würde Deutschland wohl aussehen, wenn die staatliche Fürsorge seit 1949 auf jene beschränkt geblieben wäre, die unverschuldet in Not geraten sind, insbesondere durch Krankheit oder Unfälle, aber jeder Erwerbsfähige immer noch versuchen müsste, seinen Lebensunterhalt, einschließlich Miete und Heizkosten, selbst zu erarbeiten? Gerne flankiert durch eine Arbeitslosenversicherung, die, abhängig von der vorangegangenen Beschäftigungsdauer, für Monate oder gar zwei oder drei Jahre das Netto-Einkommen weiter bezahlt.
Ich will meine Vision von einer insgesamt glücklicheren Gesellschaft hier gar nicht weiter ausbreiten. Die Karre ist viel zu verfahren, um dahin zurückzukehren. Es sind Investitionen getätigt wurden, mit dem Ziel des Personalabbaus, die nicht mehr rückgängig zu machen sind. Es sind Ansprüche gewachsen, die von keiner Regierung mehr aus der Welt zu schaffen sind, und vor allem ist der ganze Sozialismus ja nur das Vehikel, für die forcierte Umverteilung von unten nach oben. Wo wären denn zum Beispiel nur die Mieten, wenn den Vermietern nicht per Hartz IV bzw. per Bürgergeld oder Wohngeld eine gesetzliche Mindestmiete (… auch so eine Art Mindestlohn …) noch für das letzte Drecksloch garantiert würde? Wir hätten einerseits eine breite Wanderungsbewegung aus den überfüllten Städten in den leerstehenden Wohnraum auf dem flachen Land, und andererseits sinkende Mieten in den Ballungsräumen.
Es sind aber nicht nur die Mieten. Auch dem Einzelhandel sind per Bürgergeld etwa 35 Milliarden Umsatz jährlich garantiert. Womit sind denn die Aldis und Lidls Multimilliardäre geworden? Von den internationalen Lebensmittel-Multis ganz zu schweigen, die da auch noch einmal mitverdienen. Nicht weil sie aus humanitären Gründen ihre Artikel nahe an den Selbskosten anbieten, sondern weil Billig- und NoName-Produkte immer noch mit besten Margen auf den Markt geworfen werden können.
In Hamburg ist jetzt die bekannte Frisör-Kette Marlies Möller mit 75 Beschäftigten in die Insolvenz gerutscht. Ich kenne die Preistafel dieses Unternehmens nicht, zahle aber selbst für etwa 20 Minuten Herrenhaarschnitt in der Kleinstadt Mainburg 25 Euro. Die Friseuse bekommt davon – wenn es hoch kommt – fünf Euro brutto. Weniger als der Staat, der sich schon einmal mit 4 Euro bei der Mehrwertsteuer bedient, sich vom Gewinn des Unternehmers noch einmal zwei Euro holt und dann auch noch bei der Lohnsteuer der Angestellten mit anteilig 0,40 Euro zuschlägt.
Ich bin dafür, dass jeder, jedem und jeder, zu Hause so oft die Haare schneiden darf, wie er will und wie es sich ergibt, ohne dass der Staat Vorschriften macht, kontrolliert und Steuern und Abgaben einfordert. Das hat nichts mit der organisierten Schwarzarbeit und dem Steuer- und Sozialbetrug zu tun, den (große) Unternehmen unter Beteiligung verschachtelter Subunternehmerschaften betreiben, weil sich nur so das Geschäft noch lohnt, wenn sie bei der Ausschreibung für den Staatsauftrag ins Risiko gegangen sind.
Aber solche „Schwarzarbeit“ zu erlauben und möglich zu machen, die zwar vom Umfang her über Nachbarschaftshilfe hinausgeht, vom Charakter her jedoch nichts anderes darstellt, wäre eine weit bessere Lösung für viele Geringverdiener und für deren Kundschaft als eine Anhebung des Mindestlohns, mit den eingangs geschilderten negativen Folgewirkungen. Haushaltshilfen, Gärtner, Maler und Tapezierer, und viele andere Gewerke, samt deren Kunden könnten aufatmen, denn sie bekämen erstens schnell die gewünschte Leistung und zweitens zu einem Preis, den man sich selbst dann noch leisten kann, wenn man selbst für 15 Euro pro Stunde arbeitet. Wie viel man dabei verdient, hängt von der Qualität ab, die sich herumspricht, und der Anzahl der Stunden, die man selbst bereit ist zu arbeiten. So einfach ist das.
Eigenverantwortung?
Ein Schlagwort aus den Sonntagsreden der Politiker, das aber absolut nichts wert ist, solange der Staat sich genau da, wo Eigenverantwortung anfangen könnte, mit der geballten Macht der Bürokratie in den Weg stellt.
Also lassen wir uns von der Mindestlohnerhöhung erfreuen. Wenigstens etwas, wenn schon die Stromsteuer für die Privaten und die kleinen Unternehmen weiterhin erhoben wird. Man gönnt sich ja sonst nichts.
Zwei Hinweise noch
1. Heute ist wieder ein Update von Julies Woche erfolgt.
2. Wer die Sache mit der Eigenverantwortung ernst nehmen und sich selbständig machen will, könnte sich mit meinem Buch „Selbständigkeit – Worauf du dich einlässt, und wie du gewinnst“ wertvolle Tipps und Hinweise beschaffen, die sonst nirgends in der Existenzgründer-Literatur zu finden sind.