
PaD 18 /2025 – Hier auch als PDF verfügbar:
Pad18 2025 Mai
(Ausdrucken und selber vortragen)
Prost, Leute! Auf den ersten Mai, auf die Liebe und den Suff!
Nichs ist mehr, wie es sein soll.
Ab heute sollten die Bäume ausschlagen. Jetzt erst. Doch was haben wir erlebt? Seit Wochen einen selbstmörderischen Wettlauf um den frühesten Ausschlag. Selbst die Eschen, die ewigen Nachzügler, haben schon Blätter ausgetrieben und damit den kalendarisch fixierten Wechsel der Jahreszeiten schlicht ignoriert.
Das lehrt uns: Die Flora reagiert nicht auf das Abreißen von Kalenderblättern, wie wir Birkenpollenallergiker. Die Flora regiert auf die klimatischen Verhältnisse. Das ist kein Wunder, denn die Flora kennt sämtliche denkbaren klimatischen Verhältnisse seit mindestens 400 Millionen Jahren und weiß, worauf sie wann und wie zu reagieren hat. 400 Millionen Jahre, das ist ziemlich viel Zeit. Deutlich mehr als der Wimpernschlag, der zwischen Beginn der Industrialisierung und Beginn der Deindustrialisierung stattgefunden hat.
Nachdem sich aber eine hohe zweistellige Prozentzahl diverser Wissenschaftler aller Fakultäten darauf geeinigt hat, aus dem Kaffeesatz der letzten 150 Jahre das unmittelbar bevorstehende Ende der Menschheit, nebst Flora und Fauna herauszulesen, muss messerscharf geschlossen werden, dass etwas nicht stimmt: Entweder mit der Flora – oder mit der Wissenschaft.
Ich soll nicht dozieren, sondern den ersten Mai feiern? Gut, dann gib mir mal noch ein Bier. Ich erzähle aber trotzdem noch ein bisschen weiter.
Die Flora hat das Pech, schon alt und tüttelig zu sein. Die hat die 420 Millionen Jahre ja nur überlebt, weil sie mehr Glück als Verstand gehabt und nie auch nur ein Jahr in die Zukunft gedacht hat. Wir, die wir bis zu 100 Jahre in die Zukunft denken, werden nicht überleben, wenn wir einfach nur so weiter machen, wie es die Flora schon immer gemacht hat. Wir nicht.
In Ostfriesland, wo Comedians früherer Jahre ihre Urlaube verbrachten, um Material für neue Blödeleien dort zu sammeln, wo zum Wechseln einer Glühbirne vier Mann gebraucht werden (einer stellt sich auf einen Tisch und hält die Birne am ausgestreckten Arm in die Höhe, drei heben den Tisch an und drehen ihn so lange im Kreis, bis das Ende des Gewindes erreicht ist), dort, in Ostfriesland, nennt man Schwarzseher, ob nun professoraler, professioneller oder autodidaktischer Art, auch heute noch „Spökenkieker“. Da gibt es auch einen Ostfriesenwitz: Kommt ein Mann zum Spökenkieker und fragt: „Wie lange habe ich noch zu leben?“ Sagt der Spökenkieker: „Kann ich dir nicht sagen.“ „Warum nicht?“ „Frag deine Witwe. Die weiß, wie lange du schon tot bist.“
Ja, so kann’s gehen. Lasst uns feiern, so lang noch das Lämpelein glüht. Noch‘ n Bier, bitte!
Es gibt übrigens – der gar nicht ostfriesische Spökenkieker Al Gore hat das herausgefunden – schon seit mehr als zehn Jahren kein arktisches Meereis mehr. Gut, dass das Eis nicht fragen kann, wie viel Zeit es noch hat …
Aber es ist der erste Mai, und während die Gewerkschaften marschieren und kundgeben um sich die Zeit zu vertreiben, bis die ersten Würstchen vom Grill verzehrfertig sind, wartet ein feiertäglich gähnend leeres Kanzleramt auf den Augenblick, an dem aus voller Kehlen Brust gesungen werden darf:
Der Merz ist gekommen, die Ampel ist nicht aus.
Da bleibe, wer Lust hat, mit Kevin allein zu Haus.
Singt man aber heute nicht mehr. Typisch toxisch-deutsche Männlichkeit knallt einem aus diesem Lied entgegen. Raunende Runen aus dem Wurzelwerk von Yggdrasil.
420 Millionen Jahre Flora an Land. Da muss „Mai-gekommen“ nicht immer wieder gesungen werden. Gibt ja auch keinen Brunnen vor dem Tore mehr und den Lindenbaum schon gar nicht. Da, wo das war, ist jetzt ein Kreisverkehr … Kreisverkehr. Links vor rechts.
Ich brauch noch ein Bier!
Genießen wir die Tage bis zur Kanzlerwahl. Machen wir Tage der Vorfreude daraus. Die Nachfreude ab dem 6 .Mai wird wahrscheinlich weit weniger lustig. Schon, weil im verkleinerten Bundestag auch nur mit einer verkleinerten Mehrheit von zwölf Sitzen gearbeitet werden muss.
Das ist nicht viel. Da werden die Fraktionsvorsitzenden ihre liebe Mühe haben.
Dabei ist die Frage, was tun, wenn die AfD einmal mit der Koalition stimmen sollte? Gut, einmal ginge ja vielleicht noch. Aber – nur mal so dahingedacht – was wäre, wenn die AfD immer öfter mit der Koalition stimmen würde. Könnte sie ja. Würde ja am Ergebnis nichts ändern.
Es käme aber doch heraus, wo die Schnittmengen liegen. Eine verdammt gefährliche Kiste.
Aber heute ist der Tag des Gedenkens an die Arbeit. Da wollen wir lieber beim Thema bleiben und den Zustand der Arbeit beleuchten. Prost, Leute!
So richtig schwere Arbeit, die klassische Maloche, die gibt es ja nicht mehr. Die ist genauso verschwunden wie die klassische SPD. Kein Hauer muss noch tausend Meter unter Tage mit dem Presslufthammer Löcher in die Steinkohle hauen, kein Knappe muss die Lore durchs Gebirge schieben. Kein Müller muss noch die Doppelzentner-Säcke ins Dachgeschoss der Mühle wuchten. Aus und vorbei. Und wo sind die schweißglänzenden Männer mit braungebrannten nackten Oberkörpern geblieben, die mit Pickeln und Schaufeln im Straßenbau unterwegs waren?
Schon die Erinnerung an diese Jobs macht Durst. Ich nehm‘ noch ein Bier.
Alles vorbei.
Kraft mal Weg? Kannst du vergessen. Die ganze Physik ist Maschinenjob. Wer nur mit Kraft mal Weg sein Brot verdienen will, hat heute schlechte Karten. Weil viele Maschinen inzwischen auch schon smart sind, machen die den Job inzwischen sogar weitgehend unbeaufsichtigt ganz alleine.
Echt gut, dass von den Muskelkraftmeiern keine mehr nachwachsen, und wo noch die Gefahr besteht, hat man vorgebaut und dafür gesorgt, dass bei den Bundesjugendspielen jeder seine Urkunde bekommt. Da entfällt der anstrengende Muskelaufbau per Wettbewerb schon in der Kindheit. Geht ja auch kein Kind mehr zu Fuß zur Schule. Wofür gibt’s schließlich SUVs?
Der Nachwuchs ist zu Höherem bestimmt.
Gewesen.
Das Höhere, das erledigt schon jetzt zum Teil und künftig ganz und gar die KI-gestützte, vollvernetzte IT in der Fabrik 4.0 und in der Landwirtschaft 4.0. Das können übrigens auch schon die Chinesen, weshalb wir uns die ganzen teuren 4.0-Fabriken sparen können. Das spart auch Energie, weshalb wir uns auch Kraftwerke sparen können. Es spart auch Bildung, weshalb wir uns Schulen und Hochschulen sparen können.
Weil wir so viel sparen, haben wir auch immer genug Geld übrig, um die Importe aus der Bürgergeldkasse zu bezahlen. Das macht uns so leicht niemand nach auf dieser Welt.
Ja. Die Arbeit, derer wir heute gedenken, zieht sich immer weiter zurück, so wie das Wasser im Aral-See. Ein Hoch auf die Arbeit – und Prost, Leute. War früher auch mal mehr drin, in den Bierflaschen. Gib mir mal noch eine.
Der Aralsee hatte 1950, zu Beginn des deutschen Wirtschaftswunders, eine Wasserfläche von 65.000 Quadratkilometern. 2015 waren es gerade noch 8.303.
Da versucht man jetzt auch alles Mögliche, um wieder mehr Wasser in den See zu bekommen, aber die Erfolge sind erwartungsgemäß ausgesprochen spärlich und entmutigend. Was vorbei ist, ist vorbei. Hat auch sein Gutes. Kann kein Nichtschwimmer mehr ersaufen. Weil ich’s grad davon habe. Ich brauch noch ein Bier …
Es werden Zeiten kommen, und die sind nicht mehr fern, in denen es erforderlich wird, in Vorbereitung auf den Maifeiertag in den Schulen und im Fernsehen Filme zu zeigen, in denen gezeigt wird, was das ist, Arbeit, und wie das geht, arbeiten, und wozu es einst gut war.
Man muss nur aufpassen, dass die Kinder, die ja keine Ahnung haben, nicht auf die Idee kommen, das auch einmal ausprobieren zu wollen, das Arbeiten. Das wäre der Super GAU!
Am Ende gibt es dann Kinder, die etwas haben, was sie mit ihrer Hände Arbeit geschaffen haben, und die anderen haben nichts. Dann fängt das wieder an mit der Gerechtigkeit. Man muss denen, die etwas geschaffen haben, das wegnehmen, was sie geschaffen haben und es denen geben die nichts geschaffen haben. Gerechtigkeit, Teilhabe, Gleichheit, Armutsgrenze – alles kommt wieder, und wenn die sich beschweren, denen etwas weggenommen wurde, dann wird ihnen wieder gesagt werden, ihr könnt euch doch wieder etwas schaffen. Ihr habt doch bewiesen, dass ihr das könnt, und schon ist die ganze Umverteilungskacke wieder am Dampfen, und irgendwo reicht es dann nicht mehr für alle. Dann muss der Staat einspringen und Schulden machen, bis die Inflation kommt …
Haben wir denn irgendwo noch ein Bier?
Nee. Nee! Das brauchen wir alles nicht mehr.
Deutschland schafft sich deswegen nicht ab. Das hat der Sarrazin missverstanden. Deutschland steigt – frei nach Habeck – einfach aus.
Da gab und gibt es doch große Vorbilder. Job an den Nagel hängen, mit dem Wohnwagen losziehen, anhalten, wo es schön ist, am Bootssteg sitzen, die Füße im Wasser, den Sonnenuntergang betrachten, während in den Kopfhörern die Bridge over troubled Waters zum Träumen einlädt. Treibholz sammeln, Feuer machen, einen Fisch fangen und über dem Feuer braten …
Das ist es, sinnbildlich, was Deutschland macht.
Mensch, hab ich einen Durst. Der Fisch will schwimmen!
Deutschland macht das genau so. Halt nicht mit Fisch und Treibholz. Holen wir uns nicht schon heute – statt dem Fisch – unseren Strom von überall aus Europa? Der ist doch nicht schlechter als der Selbsterzeugte! Leute! Und wir brauchen ja nicht viel. Das fällt doch gar nicht auf. Frankreich hat genug!
Wir müssen raus aus der Idee, dass nur das sesshafte Selbermachen zwischen Alpen und Nordsee das Gelbe vom Ei ist.
Keine Sorge! Das bisschen Geld, das wir brauchen, das ist doch nicht das Problem.
Wir müssen ja nicht einmal wie die lustigen Tiroler unsere Betten verkaufen und auf Stroh schlafen. Wir versaufen – sinngemäß – unsrer Oma ihr klein Häuschen, samt der ersten und der zweiten Hypothek!
Der Trump ist doch sowieso auf Einkaufstour. Der bietet schon für Grönland, für Kanada, für den Gaza-Streifen. Der nimmt auch Deutschland mit Kusshand, und dann ab mit Schmackes!
Gib mir mal noch ein Bier.
Oder soll ich am ersten Mai vertrocknen?
Was!? Ich soll einen Denkfehler gemacht haben?
Der Trump soll Deutschland gar nicht wollen? Das ist doch Quatsch. Der will doch auch sonst alles. Nun ja. Wir müssten vielleicht besenrein übergeben. Klar. Seine Mauer an der mexikanischen Grenze spricht da Bände. Aber wenn wir definitiv aufgehört haben zu arbeiten, löst sich das Problem doch ganz von alleine … Hab‘ ich recht?
Das meinst du gar nicht? Was denn dann?
Der Trump wird nicht für etwas bezahlen, was er sowieso schon hat?
Ach so.
Na dann.
Weiterarbeiten Leute. Ab 6. Mai für den Merz. Hilft ja nichts. Wir sehen uns.
Wo hab‘ ich denn meine Autoschlüssel …?