Der Linzer Schwarzarbeits-Schneider ist wieder gefragt.

Gäbe es einen Nobelpreis in der Kategorie „Fantastologie“, Friedrich Schneider, der Schwarzarbeitsprofessor aus Linz, dürfte unter den Nominierten nicht fehlen. Sein jüngster Coup, der es unter der Überschrift

„Deutschlands übersehenes Wirtschaftswunder“

in den Wirtschaftsteil der „WELT“ geschafft hat, ahmt den „Hockeystick“ der Klimapropheten nach und erzählt von einem abenteuerlich, fast senkrecht verlaufenden, steilen Anstieg des Schwarzarbeitsvolumens auf eine halbe Billion (498 Milliarden) Euro im laufenden Jahr.

Seit 20 Jahren arbeite ich mich an den „Erkenntnissen“ des Linzer Professors ab, die nach meinen Erkenntnissen ähnlich fundiert sind wie die Prophezeihungen fahrender Kaffeesatzleserinnen.

Am 5. Januar 2003
habe ich dazu diesen Text (Auszug) veröffentlicht:

Es begann vor fast genau einem Jahr.

Der Spiegel eröffnete im Heft 49 des Jahres 2002 die Schlacht damit, dass er auf das ganz ungeheuerliche Ausmaß der Schwarzarbeit hinwies, das im Jahr 2002 bei rund 350 Milliarden Euro gelegen haben sollte. Medien und Politiker rechneten daraufhin flugs aus, wieviele zig-Milliarden an Steuern und Sozialbeiträgen dem Fiskus per Schwarzarbeit vorenthalten würden und alle beeilten sich, die von Prof. Schneider aus Linz aus der Luft gegriffenen Zahlen zur Schwarzarbeit weiterzuverbreiten.

Ein halbes Jahr später, im Juni 2003, berichtete das ZDF gar von einem Umfang der Schwarzarbeit von 370 Milliarden Euro p.a. und die Politik beschloss, zur Jagd auf die Schwarzarbeiter zu blasen. Die falschen Schwarzarbeiterzahlen wurden daraufhin bei Sabine Christiansen ebenso aufgeführt, wie bei Christoph Süss im Bayrischen Fernsehen, von fast allen Zeitungen, selbst von der Süddeutschen Zeitung aufgegriffen, obwohl sie (die SZ) ein paar Wochen zuvor noch die Ergebnisse der Rockwool-Studie zitiert und damit erhebliche Zweifel an den Schneiderschen Phantasiezahlen genährt hatte. Friedrich Merz suhlte sich geradezu in der großen Zahl von 370 Milliarden und Hans Eichel ließ sie ebenfalls gelten, wusch jedoch gelegentlich – mit dem Hinweis darauf, dass es sich um eine Schätzung handele – seine Hände in Unschuld.

Nun hat Hans Eichel die Schwarzarbeit zur Wirtschaftskriminalität erklärt und ein Heer von 7.000 Zollbeamten beauftragt, aus den angeblichen 370 Milliarden Schwarzarbeitsumsätzen eine ganze Milliarde an Steuern und Abgaben für den Staat zu retten.

Die heimliche große Koalition, die uns regiert, war sich also ganz offensichtlich auch darin einig, dass die Schwarzarbeit mit Macht bekämpft werden soll und dass Schwarzarbeiter und deren Auftraggeber kriminalisiert werden müssen.

Mit der „einen Milliarde“, die aus der Hatz auf die Schwarzarbeiter in die Staatskassen kommen soll, kehren die Verantwortlichen zwar auf den Boden der Realität zurück, sehen aber deshalb noch lange keinen Anlass, sich von den Machenschaften ihres hilfreichen Schwarzarbeitsabschätzungsprofessors zu distanzieren.

Hätte es jemals Schwarzarbeit im Umfang von 370 Milliarden gegeben, wäre das Ziel, daraus eine Milliarde für den Fiskus zu requirieren, ein sehr schlechter Witz, zumal alleine die per Schwarzarbeit hinterzogene Mehrwertsteuer den Betrag von 50 Milliarden Euro erreichen müßte, von Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgen ganz zu schweigen.

Zuletzt wurden Schneiders Zahlen nach meiner Erinnerung im Jahr 2019 von den Medien ordentlich gepusht. Da hat er im Februar vorhergesagt, dass es einen Rückgang der Schwarzarbeit gegenüber 2018 geben werde und das Jahres-Volumen nur noch 319 Milliarden Euro erreichen werde.

Als mir Professor Schneider erstmals aufgefallen ist, war die Basis seiner Berechnungen und Schätzungen, auf die er dann diverse Korrekturfaktoren anzuwenden pflegte, der Bargeldumlauf. Dem lag die schlichte Annahme zu Grunde, dass Schwarzarbeit bar bezahlt wird, dass es also eine Korrelation zwischen Bargeldumlauf und Schwarzarbeit geben müsse. Ich halte diese Annahme für Humbug.

Das habe ich am 4. Juni 2003 in diesem Text (Auszug) so begründet:

Am 4. Juni 2003 griff die Sendung ZDF-Reporter das Thema wieder auf und verbreitete aufs Neue die seit einiger Zeit umlaufende Information:
„In Deutschland werden jährlich 370 Milliarden Euro in Schwarzarbeit erwirtschaftet“
Dies veranlasste mich zu folgender Zuschrift an das ZDF



Redaktion
ZDF-Reporter

Schwarzarbeit

Es gibt Potemkinsche Dörfer, Irakische Massenvernichtungswaffen und die Deutsche Schwarzarbeit.

Wenn man Politikern gemeinhin zugesteht, dass sie sich im Umgang mit Informationen auf das Behaupten und das Dementieren beschränken, so erwartet man von Journalisten doch immer noch, dass sie recherchieren, bevor sie berichten.

In Ihrer Sendung vom 4. Juni 2003 „berichteten“ Sie, daß in Deutschland jährlich 370 Milliarden Euro durch/mit/in Schwarzarbeit „erwirtschaftet“ würden.

Diese Zahl geistert seit geraumer Zeit durch die Medien (Spiegel Heft 49/02: 350 Milliarden) und durch die politische Diskussion, ohne dass sich bisher jemand bemüht hätte, durch Anwendung der Grundrechnungsarten die Wahrscheinlichkeit der Richtigkeit dieser Aussage zu überprüfen.

Das deutsche Statistische Bundesamt gibt die Höhe der Brutto-Löhne und -Gehälter der deutschen Beschäftigten für das Jahr 2002 mit 911,78 Milliarden Euro an, ein Betrag, der von 34,5 Millionen Arbeitnehmern verdient wurde.

Selbst wenn man unterstellt, Schwarzarbeiter würden von ihren Auftraggebern zu Brutto-Löhnen engagiert, bedeuteten die genannten 370 Milliarden „erwirtschafteter“ Schwarzarbeitseinkünfte ein Heer von 14 Millionen Menschen, die sich ganztags der Schwarzarbeit widmen.

Korrigiert man diese Werte auf tatsächliche, realistische Schwarzarbeiterstundenlöhne, die bei Handwerkern zwischen 8 und 12 Euro liegen dürften, bei Haushaltshilfen und Aushilfskellnern noch deutlich darunter, dann nähert man sich der Zahl von

25 Millionen Vollzeit-Schwarzarbeitern,

die erforderlich wären um jene ominösen 370 Milliarden zu erwirtschaften. Auch ein Vergleich mit dem Bundeshaushalt, der mit rund 250 Milliarden vergleichsweise ärmlich aussieht, macht die 370 Milliarden ziemlich fragwürdig. Nimmt man am Ende die Tatsache, dass die Deutschen zwar brutto 911 Milliarden verdient haben, netto davon vermutlich aber nur 600 Milliarden ausbezahlt erhielten, dann fragt man sich, wer die 370 Milliarden wovon bezahlt haben soll.

(…)Ich halte die ZDF-Reporter für ein seriöses Magazin, das sich der üblichen Stimmungsmache weitgehend enthält. Es würde mich freuen, wenn Sie versuchen, den 370 Milliarden Potemkimscher Schwarzarbeit nachzurecherchieren und gelegentlich darüber berichten.

Mit besten Grüßen

Egon W. Kreutzer



Nachtrag
(nicht Bestandteil des ‚Leser‘-briefes)

Natürlich habe ich inzwischen herausgefunden, wer die Schwarzarbeitszahlen in die Welt setzt.

Es ist dies der Volkswirtschaftsprofessor Dr. Friedrich Schneider, Linz, der seit vielen Jahren mit dem abenteuerlichen sog. „Bargeldansatz“ das Volumen der Schattenwirtschaft in Österreich, der Schweiz und Deutschland schätzt.

Dabei zählt er zum Volumen der Schattenwirtschaft jede Leistung, die erbracht, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht im BIP ausgewiesen wird. So ist nach dieser Definition auch das, was der Heimwerker zu Hause am eigenen Haus, am eigenen Auto renoviert, repariert oder sonstwie arbeitet und selbstverständlich auch die legale Nachbarschaftshilfe ein Teil der Schattenwirtschaft.

Die eigentliche Schwarzarbeit ist folglich nur ein Teil dieser sog. Schattenwirtschaft.

Den Umfang der Schattenwirtschaft hat Prof. Schneider für Deutschland im Jahr 2002 auf 350 Milliarden Euro geschätzt, nicht den Anteil, den die Schwarzarbeit daran hat.

Dass dann bei der Vermarktung der Zahlen zwischen Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft nicht mehr hinreichend differenziert wird, ist verwunderlich genug, läßt sich aber schon durch einen Blick in die Presseerklärungen seines Tübinger Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) leicht nachweisen. Dass bei der Weiterverbreitung solcher Zahlen in den Medien dann aber auch niemand mehr nachfragt, weder nach der Definition von Schwarzarbeit, noch nach der angewandten Methodik, ist kaum noch zu verstehen.

Das Schätzverfahren, das Professor Schneider anwendet, basiert auf der epochalen Erkenntnis, dass Schwarzarbeit bar bezahlt wird, und so baut er seine Spekulationen über den Umfang der Schwarzarbeit auf der Vermutung auf, dass die Veränderung der Nachfrage nach Bargeld der beste Indikator für eine Veränderung des Volumens der Schwarzarbeit sei.

Das ist ungefähr ebenso genial, wie der Versuch, aus der Nachfrage nach Sonnenbrillen die Durchschnittstemperaturen oder die Jahresniederschlagsmengen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu ermitteln. Allerdings: Solange das gewünschte Ergebnis bekannt ist, ist auch das ein durchaus lösbares Problem!

Und so multipliziert der Professor seit vielen Jahren – vermutlich in hochkomplizierten Formeln und mit tausendundzwei spontan ersonnenen, variablen Korrekturfaktoren – aus den Veränderungen des Bargeldumlaufes das Volumen von Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft heraus, bis ihm das Ergebnis gefällt.

Dies ist für mich nicht anderes als akademisch verbrämte Kaffeesatzleserei, die nur deshalb nicht massiv kritisiert wird, weil die Ergebnisse so gut in die Argumentationskette passen. Und dass diese Zahl gelegentlich durch eine Vergleichsrechung überprüft wird, die unterstellt, ein Zuwachs des Stromverbrauchs, dem kein entsprechender Zuwachs des BIP entgegenstünde, ließe auch direkte Schlüsse auf das aktuelle Volumen der Schwarzarbeit zu, ist nur die Bestätigung der einen unhaltbaren Hypothese durch eine andere, also wertlos.

Zu solch zweckmäßiger Methodik passt dann auch die Tatsache, dass Friedrich Schneider zusammen mit Meinhard Miegel zu jenen hundert erstunterzeichnenden Nationalökonomen gehört, die in ihrer Resolution zur Agenda 2010 zum Ausdruck bringen, dass sie es gar nicht erwarten können, den weiteren, unbedingt erforderlichen Kahlschlag in den Arbeitsverhältnissen, Tarifverträgen und Sozialversicherungen in Deutschland und ganz Europa auf den Weg zu bringen.


 

Noch ein Nachtrag
(06.06.2003)

An drei Problemstellung wird deutlich, dass ein Anwachsen der Schwarzarbeit, wie von Prof. Schneider behauptet, eher unwahrscheinlich ist, und dass der Bargeldansatz selbst, aus gravierenden Gründen
a) systematisch falsch ist und
b) durch Einflüsse außerhalb der Schwarzarbeit enorm und ebenso unkontrollierbar verfälscht wird.

Problem 1
Auch Schwarzarbeit erfordert Kaufkraft

Der Binnenmarkt einer Volkswirtschaft verfügt über ein bestimmtes Maß an Kaufkraft, das im Zeitverlauf durch steigende/fallende Löhne, durch steigende/fallende Transferleistungen (Rente, Krankengeld, usw.), durch vermehrtes Sparen oder die Auflösung von Sparguthaben und durch vermehrte Kreditnachfrage oder die forcierte Tilgung von Krediten steigt und fällt.
Diese Kaufkraft tritt als Nachfrage sowohl am legalen Markt, als auch bei den Anbietern von Schwarzarbeit auf. Die Kaufkraft kann zwar in einer Periode z.B. durch Sparen vermindert, in einer anderen Periode durch Auflösung von Sparguthaben vergrößert werden, diese Manipulationen gleichen sich jedoch über die Zeit aus, so daß am Ende die Erkenntnis bleibt, dass Kaufkraft nicht beliebig vermehrbar ist, sondern im Wesentlichen von der Summe der Brutto-Löhne und -Gehälter begrenzt wird. Kaufkraft, die sich Bargeld beschafft, um Schwarzarbeit zu bezahlen, steht also zwangsläufig nicht mehr zur Verfügung. Die Barabhebung vom Konto mindert das verfügbare Giralgeld. Ein Zuwachs der Schattenwirtschaft ist daher nur möglich, wenn bei unveränderter Kaufkraft und bei vergleichbaren Wertansätzen, ein gleich großer Rückgang der legalen Wirtschaftsleistung zu beobachten ist.

Die Reallöhne stagnieren seit geraumer Zeit, das BIP wächst (zwar langsam, aber es wächst) – wo und von wem also, soll die angeblich immens gewachsene Schwarzarbeit abgenommen worden sein?

Vorsicht, Herr Professor! Falls Sie obige Argumentation angreifen wollen, mit der Hypothese, die Schwarzarbeiter würden ihre „Schwarzeinkünfte“ im vollen Umfang wieder ausgeben und damit den von mir unterstellten Kaufkraftausfall ihrer Auftraggeber ausgleichen, dann sollten Sie vorher versuchen herauszufinden, ob unter dieser Annahme von der Schwarzarbeit überhaupt ein volkswirtschaftlicher Schaden ausgehen kann. Fiktiv ja, weil Steuern und Abgaben erspart werden. Praktisch nein. Denn das Geld das benötigt würde, um die fiktiv entgangenen Steuern und Abgaben aufzubringen, entsteht nicht dadurch, daß eine Leistung netto, zu Schwarzarbeiterpreisen erbracht wird. Das ist leider so.

Problem 2
Schwarzarbeit verändert den Bargeldbedarf nur, wenn der Schwarzarbeiter Bargeld hortet – das aber ist nicht der Fall.

Das Geld, das zur Bezahlung des Schwarzarbeiters benötigt wird, wächst nicht im Blumentopf des Nachfragers. Der Nachfrager muß sich die Kaufkraft vorher verdienen, und zwar ganz überwiegend mit legaler Arbeit. Wenn der Nachfrager nun sein sauer Verdientes in bar von der Bank holt, ist es höchst wahrscheinlich, dass dieses Bar-Geld vom Schwarzarbeiter ganz überwiegend unmittelbar zur Bezahlung seines Konsums verwendet wird – was soll der Schwarzarbeiter sonst damit?

Bargeld horten? Wer Bargeld horten kann, braucht nicht mehr arbeiten. Geld horten ist das Geschäft der Kapitalisten, nicht der Arbeiter, schon gar nicht derjenigen Arbeiter, die sich durch Schwarzarbeit etwas dazuverdienen (müssen). Das Bargeld verweilt also nicht beim Schwarzarbeiter, es fließt über die Ladenkassen sehr schnell wieder zurück zu den Banken, die es unmittelbar an die Zentralbank zurückgeben, sobald ihre Kassenhaltung das zuläßt. Schließlich muß sich die Geschäftsbank das Bargeld gegen Zinsen von der Zentralbank leihen! Der von Prof. Schneider vermutete Effekt der vermehrten Bargeldnachfrage entpuppt sich in diesem Licht als ziemlich fragwürdig.

Bargeld, daß der Schwarzarbeiter in der Tasche hat, braucht er sich nicht vom Bankautomaten holen, wie er es ohne Schwarzarbeit getan hätte. Er wird es ausgeben, und wenn er Einnahmen aus Schwarzarbeit anspart, dann dadurch, daß er seinen Dispositonskredit in geringerem Umfang in Anspruch nimmt, oder sogar einmal Giralgelder auf seinem Konto stehen läßt, statt Bargeld unterm Kopfkissen zu halten.

Problem 3
Bargeldnachfrage der Steuerflüchtlinge und anderer Straftäter

Im Wirtschaftsgebiet Deutschland werden ungefähr 90 Milliarden Euro Bargeld vermutet, weil entsprechende Mengen an Banknoten und Münzen von der Zentralbank an die Geschäftsbanken verliehen wurden. Diese Vermutung verwendet man in weiteren Rechnungen als die Größe „Bargeldumlauf“. Dass enorme Mengen des ausgegebenen Bargeldes (manche Schätzungen gehen von bis zu 50% aus) keineswegs in Umlauf, sondern von Ausländern und Inländern hauptsächlich im Ausland in Schließfächern und privaten Safes deponiert sind, ist bekannt.

Die Umstellung auf den Euro hat diese Bargeldbestände allerdings massiv reduziert. Weil der direkte Umtausch aus verständlichen Gründen für viele Schwarzgeldbestände nicht möglich war, wurden damit auf Umwegen Sachwerte erworben. So konnte Vermögen erhalten werden. Nun setzt sich der Prozess der Bargeldhortung nicht nur fort, es besteht an verschiedenen Stellen auch die Notwendigkeit, ehemalige DM-Bestände als Euro-Bestände wieder aufzubauen. Aus dieser Ecke kommt eine nicht zu unterschätzende Nachfrage nach Bargeld.

Ob Prof. Schneider dafür irgendwie eine Korrektur schätzt, oder ob jede Euro-Reserve, die in den Safes der Russenmafia angelegt wird, von ihm als Ausweitung der Schwarzarbeit interpretiert wird, ist für mich leider nicht erkennbar. Vielleicht äußert er sich ja einmal dazu.

Für alle, die die farbig hinterlegten Kästen übersprungen haben:

Die Schwarzarbeit, von der Medien und Politiker schwätzen, ist das, was Prof. Schneider „Schattenwirtschaft“ nennt, und das ist weit mehr als das, was landläufig unter Schwarzarbeit verstanden wird. Es handelt sich also um eine, durch Begriffsvermengung entstandene Unwahrheit.

Die Wahrheit sieht so aus:

zum Volumen der Schattenwirtschaft zählt jede Leistung, die erbracht, aber aus welchen Gründen auch immer, nicht im BIP ausgewiesen wird. So ist nach dieser Definition auch das, was der Heimwerker zu Hause am eigenen Haus, am eigenen Auto renoviert, repariert oder sonstwie arbeitet und selbstverständlich auch die legale Nachbarschaftshilfe ein Teil der Schattenwirtschaft.

Die eigentliche Schwarzarbeit ist folglich nur ein Teil dieser sog. Schattenwirtschaft.

Es gibt noch eine weitere Wahrheit, und die heißt Inflation:

Rechnet man nämlich von rund 320 Milliarden 2019 mit den jährlichen Inflationsraten auf das Jahr 2024 hoch, dann kommt man bereits alleine durch die Inflation auf 388 Milliarden. Preisbereinigt kommt also auch Prof. Schneider nur auf einen geringen Anstieg der Leistung der Schattenwirtschaft – auch hier ist der Hockeystick wieder einmal eine trügerische Darstellung nicht vergleichbarer Daten.

Und es gibt zwei unschöne Vermutungen:

1. Einschnitte in die Sozialleistungen

Das Reden über den Umfang der Schwarzarbeit ist immer bestens geeignet, um Stimmung gegen Arbeitslose und andere Transferleistungsempfänger zu erzeugen. Die sind doch gar nicht arm! Die haben doch mehr Geld in der Tasche, als jene, die brav ihre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Wegen der Schwarzarbeiter geht es uns allen schlecht!

Damit lassen sich dann Kürzungen bei den Sozialleistungen (für alle) sehr viel leichter durchsetzen. Momentan sicherlich ein gutes Argument, um breite Zustimmung für die Rückabwicklung des Bürgergeldes und anderer Sozialleistungen zu erreichen.

2. Verschleierung des Umfangs der Rezession

Wie das? Ganz einfach:

Das Statistische Bundesamt nimmt seinerseits Korrekturen an den erfassten Zahlen zur Wirtschaftsleistung vor, indem es – ohne dies explizit auszuweisen – das Volumen der Schattenwirtschaft abschätzt (wozu die Vorgaben des Prof. Schneider sicherlich hilfreich sind) und dem BIP zuschlägt.

Das ist gewissermaßen ein Puffer, der es ermöglicht, die Wachstumswerte, vor allem die des negativen Wachstums, für das Publikum so aufzubereiten, dass eine „Verunsicherung der Bevölkerung“ so gut es geht vermieden werden kann.

Zum Abschluss noch ein paar Gedanken zum Nutzen der Schwarzarbeit, die ich am 2. Dezember 2019 veröffentlich habe (Auszug).

„Welches Interesse hat der Staat eigentlich daran, Schwarzarbeiter zu verfolgen?“

Die Antwort für die Bundesrepublik Deutschland, deren Politiker das Heil der Nation nach wie vor im Export suchen und zur Förderung des Exports den schönsten und besten Niedriglohnsektor der Welt zu errichten versuch(t)en und zugleich die Sozialsysteme geschreddert haben, die Antwort für diese Republik, lautet:

„Es besteht nicht das geringste Interesse daran, die Schwarzarbeit zu verfolgen, außer dem Bedürfnis, den Schein des Rechtstaats aufrecht zu erhalten!“

Schwarzarbeit, ob nun am Bau oder in der Gastronomie, ob im Haushalt oder in anderen Dienstleistungsberufen, ist ein Mittel zur Kostensenkung im Binnenmarkt. Kostensenkung im Binnenmarkt ist Doping für den Export.

Egal, ob das neue Rathaus, die neue Fabrikhalle, die neue Mietskaserne oder das neue Eigenheim mit einem Anteil von 15 bis 20 Prozent Schwarzarbeit errichtet werden:

Die Folge heißt: Der Gewerbesteuerhebesatz der Gemeinde muss nicht erhöht werden, was die Produktion für den Export verbilligt. Die Kapitalkosten des Unternehmers bleiben niedriger, was die Produktion für den Export verbilligt. Die notwendigen Mieteinnahmen zur Amortisation der Mietskaserne sind geringer, was den Mietern erlaubt, sich mit niedrigeren Löhnen zufrieden zu geben, was die Produktion für den Export verbilligt – und wo das Eigenheim durch Schwarzarbeit erschwinglich wird, verbilligt auch das die Produktion für den Export, weil die vielen Schwarzarbeiter nämlich mit ihren Schwarzarbeitseinkünften den Binnenmarkt überhaupt erst am Leben erhalten, denn der größte Teil der Schwarzarbeitslöhne wird ja bei Aldi und OBI, bei Saturn und Media-Markt wieder in die legale Wirtschaft eingespeist, die darauf angewiesen ist, ihre Kapazitäten auszulasten.

Dieses gelebte Denken im Bereich der Staatsfinanzierung auf der Einnahmenseite korrespondiert augenfällig mit dem Investitions- und Instandhaltungsstau bei der öffentlichen Infrastruktur auf der Ausgabenseite. Die Brücke, die noch zehn Jahre genutzt wird, obwohl sie schon hätte ersetzt werden müssen, spart – je nach Größe – zwischen einer halben und eventuell hundert Millionen Euro, und bei der großen Zahl maroder Brücken sind das schnell 10 Milliarden, die man einfach im Bereich Straßenbrücken vor sich herschiebt, was nur der Exportwirtschaft hilft.

Es sind aber nicht nur die Straßenbrücken, es sind, in mindestens vergleichbarer Größenordnung, die Straßen selbst, es sind die Schienenwege, die Bahnhöfe, es sind die Schwimmbäder, die Kindergärten, die Schulen, die Hochschulen, nicht zu vergessen die auf dem Zahnfleisch, statt auf Panzerketten daherkommende Bundeswehr, die – einzig zu Gunsten der Exportwirtschaft (und der ausländischen Abnehmer) – im Zustand des gerade noch erträglichen Verfalls gehalten werden, wie die Sozialsysteme auch, die seit 2002 im künstlichen Koma liegen, mit dem Effekt, dass „Altersarmut“ als unmittelbar bevorstehendes Massenphänomen schon gar nicht mehr verhindert werden kann.

Da hilft die „Respektrente“ von Hubertus Heil ungefähr so viel, wie das Schild „40 km/h – Brückenschäden“ an der Autobahnbrücke im Harz: Der Einsturz wird mit dem untauglichsten aller Mittel nur noch hinausgezögert.

Dass den Schwarzarbeitern im Krankheitsfall nur der Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen gewährt wird, den die Politik nach Kassenlage, sowie nach dem Interessenmix von Krankenhäusern, Pharmaindustrie, Apothekern und niedergelassenen Ärzten, aber eben nicht nach medizinischer Notwendigkeit festlegt, dass die Schwarzarbeiter noch weniger Rentenansprüche erwerben als ihre regulär beschäftigten Kollegen, deren Löhne sie zu drücken geholfen haben, spielt ebenfalls keine Rolle. Die notwendigen Manipulationen an der Rentenformel nehmen am hinteren Ende die gleichen Politiker vor, die vorne eben nicht darauf achten, dass die Beitragseinnahmen im regulär möglichen Maße sprudeln.

Ich muss noch einmal auf die 8.000 Zöllner zurückkommen. Mit dieser Streitmacht innerhalb von 2 Jahren nur 1,8 Milliarden „Schwarzarbeit“ aufgedeckt zu haben, das ist für mich, und ich sage das vor dem Hintergrund meiner reichen Berufserfahrung, entweder ein Zeichen totaler Desorganisation, oder der Ausdruck der streng angezogenen politischen Bremse. Wobei Ersteres durchaus ein Effekt des Letzteren sein kann.