Demokratie-Varianten

In New York wird auf demokratische Weise ein neuer Bürgermeister gewählt. Aber was soll das heißen: Auf demokratische Weise?

Demokratie ist nicht einfach Demokratie. Automobil ist ja auch nicht einfach Automobil. Es haben sich zu jedem Begriff Spielarten herausgebildet. Beim Automobil reicht das vom kleinen Sport-Cabrio bis zum gigantischen Hausfrauen SUV und zum ISIS-Pickup – wahlweise mit Benzin, Diesel oder Elektromotor, und dies mit gehöriger Vielfalt der Marken und Modelle.

So, wie es bei den Automobilen auf der einen Seite die unglaublichsten, fortschrittlichsten Fortbewegungsmittel zu bestaunen gibt, werden klassische Oldtimer bisweilen nicht minder bestaunt, und es ist durchaus so, dass jene, die zuletzt mit dem Automobilbau begonnen haben, wie die Chinesen oder Elon Musk, an der Spitze des Fortschritts stehen, während die alteingesessenen Hersteller zwar versuchen, mit aufgesetzter bunter Vielfalt darüber hinwegzutäuschen, dass unter dem Lack immer noch die uralt-Technik verwendet wird, doch zeichnet sich bereits ab, dass diese Monster aus dem Jurassic-Park zum Aussterben verurteilt sind.

Nicht anders verhält es sich mit der Demokratie. Wo man nach alter Väter Sitte an demokratischen Traditionen vergangener Jahrhunderte glaubt, festhalten zu müssen, werden Wahlen mehr und mehr zum Lotteriespiel mit unvorhersehbarem Ausgang. Fortschrittliche Demokratien bedienen sich fortschrittlicher Mittel, um immer wieder das gewünschte Wahlergebnis aus der Urne ziehen zu können – und sie fahren gut damit.

Rumänien, zum Beispiel, ist erst 1989 demokratisch geworden, hat sich erst 1991 eine demokratische Verfassung gegeben und diese 2003 durch Überarbeitung auf den neuesten Stand gebracht. So konnte es im letzten Jahr gelingen, die Wahl des Präsidenten für ungültig zu erklären, weil eben nicht der demokratische Kandidat gewonnen hatte. Es habe Unregelmäßigkeiten gegeben, hieß es, weshalb die Wahl wiederholt werden müsse. Um zu verhindern, dass die gleichen Unregelmäßigkeien erneut zum falschen Ergebnis führen, war es die Aufgabe der ultramodernen Wahlkommission, für Klarheit beim nächsten Urnengang zu sorgen, was dadurch bravourös gelungen ist, dass  der Kandidat Georgescu erst gar nicht mehr zur Wahl zugelassen wurde. Bingo. Rumänien hat nun doch den Präsidenten, den es verdient.

Deutschland ist zwar – in Teilen – schon 1949 demokratisch geworden, das ganze Deutschland – nach aktueller, vökerrechtlicher Lesart – allerdings auch erst 1989. Kein Wunder, dass auch hier fortschrittlichste Demokratie-Varianten gepflegt werden. Nach dem Vorbild der Musterdemokratie Rumäniens schuf auch hier eine Wahlkommission Fakten, indem vorsorglich der aussichtsreichste Kandidat für den Oberbürgermeister-Job in Ludwigshafen von der Wahl ausgeschlossen wurde. Selbstverständlich konnte so der demokratische Kandidat mit großer Mehrheit ins Amt gewählt werden. Bingo.

Zweihundertundzwei Jahre vor der Demokratiewerdung Rumäniens und des ganzen Deutschlands, am 17. September 1787, war es den USA gelungen, eine demokratische Demokratie zu werden. Die uralte Demokrativariante, doppelt kompliziert durch das föderale Modell mit X Bundesstaaten und Gouverneuren und Senatoren, ist in ihrer Entwicklung stehengeblieben und gegen die modernen Demokratien weit zurückgefallen. Man hat es zwar mit Software-Manipulationen bei den Wahlautomaten versucht, man hat es mit unkontrollierten Briefwahlzetteln versucht, doch das alte, längst nicht mehr korrekt funktionierende und keinesfalls fälschungssichere Prinzip, Wählerstimmen in Dollar-Noten aufzuwiegen, ist immer noch das letzte Mittel, auf das zurückgegriffen wird, wenn das Schlimmste zu befürchten steht. Armes Amerika. 

Donald Trump, der Präsident, der selbst nur wegen dieses überholten Demokratie-Modells ins Amt gelangen konnte, versucht nun wieder einmal die Sache mit dem Geld. Nur umgekehrt. Er will die benötigten Stimmen für seinen Kandidaten für den Job des New Yorker Bürgermeisters nicht mit Dollar-Millionen in Bewegung setzen – er droht damit, den New Yorkern Bundesmittel zu entziehen, sollten sie, trotz seiner demokratischen Einwände den Falschen, nämlich den Demokraten Zohran Mamdani wählen. Sie sollen zwar demokratisch wählen, die New Yorker, aber doch bitte keinen Demokraten.

Ich wage voherzusagen, dass sich die New Yorker von Trumps Drohung nicht einschüchtern lassen werden, sondern wahrscheinlich sogar in trotziger Stimmung jetzt erst recht für Mamdani stimmen.

Das ist also der Zustand der altertümlichen Demokratie in den USA. Die lernen einfach nichts dazu. Während man in den jüngeren Demokratien schon daran arbeitet, die Möglichkeit zu nutzen, die in der Wählergunst führende Partei ganz demokratisch einfach zu verbieten, nachdem es erfolgreich gelungen ist, deren Kandidaten von den Wahlen auszuschließen, darf sich so ein Mamdani in New York wie selbstverständlich als Kandidat aufstellen und mit großer Mehrheit wählen lassen.

In der Türkei wäre so etwas nicht gelungen. Die Türkei ist so fortschrittlich, dass sich die Gelehrten streiten, ob das überhaupt noch eine Demokratie ist, oder ob die Türkei mit Erdogan schon einen neuen Level staatlicher Ordnung erreicht und die Demokratie überwunden hat.

Armes Amerika! Einst Vorbild für die demokratsiche Welt – und nun das …