Das Recht auf Reparatur – Kuba lässt grüßen

Die EU hat es beschlossen, Deutschland muss das Bürokratiemonster noch in nationales Recht umsetzen.

Natürlich besteht ein Recht auf Reparatur nur, wenn es sich um größere (Waschmaschinen, Kühlschränke, Trockner, Staubsauger) oder teurere (Smartphones, Tablets, Server, Datenspeicher) Geräte handelt.

Zudem besteht ein Recht auf Reparatur nur, wenn die Geräte überhaupt reparierbar sind und die Reparatur weniger kostet als die Neubeschaffung.

Damit die Reparatur möglich ist, haben die Hersteller Ersatzteile zu bevorraten, die wiederum binnen 15 Tagen zu einem angemessenen Preis verfügbar sein müssen.

Glücklicherweise sind Automobile und Kaffeemaschinen ebenso von dieser Regelung ausgenommen, wie Kopfhörer und Toaster, obwohl gerade Automobile und Kaffeemaschinen durchaus zu den größeren und/oder teureren Geräten zählen.

Aber die Waschmaschinen, die sind dran.

Es ist eine schöne Idee aus der heilen Welt des 16. Jahrhunderts, als alle Geräte von Handwerkern in Handarbeit geschaffen wurden und – außer bei Totalzerstörung – von eben diesen Handwerkern auch wieder instandgesetzt werden konnten.

Den Zuber, in dem damals Wäsche mit Muskelkraft gewaschen wurde, konnte man reparieren, wenn er undicht geworden war. Der war auch nicht von Amazon per Container aus China geliefert worden, sondern den hatte man sich vom ortsansässigen Böttcher eigens herstellen lassen.

Läuft irgendwo Wasser aus der bei Amazon oder Otto bestellten Waschmaschine, die einst per Spedition geliefert und gegen Aufpreis angeschlossen wurde, wirft das größere Probleme auf.

Wer repariert das Ding denn noch? Der kleine Elektrofachhändler mit seinen fünf Monteuren fragt doch erst einmal nach, um welches Produkt es sich handelt, und wenn die Antwort da irgendwo weit abseits von Marken wie Miele, Siemens, Bosch oder Constructa ausfällt, wird er davon Abstand nehmen, sich die Leckage überhaupt nur anzusehen. Der weiß, wer sich eine Waschmaschine von Gorenje, PKM oder sonst einem unbekannten Hersteller für weniger als 300 Euro angeschafft hat, den wird er nie als Kunden gewinnen. Also erzählt er etwas von Überlastung und Fachkräftemangel und dass er vielleicht in sechs oder sieben Wochen vorbeischauen könnte. Für die Anfahrt müsse er allerdings 89 Euro in Rechnung stellen, die in jedem Fall fällig werden, auch die Kosten für die halbe Stunde, die es dauert, um das Ding aufzuschrauben und eine Diagnose zu stellen, müsse bezahlt werden.

Es ist klar: Schon der Versuch, das Gerät reparieren zu lassen, wird mit rund 150 Euro zu Buche schlagen. Muss dann mehr als eine einfache kleine Dichtung ersetzt werden, schwindet die Differenz zum Neupreis schnell dahin.

Bei der guten Miele für 1.100 Euro sieht das nicht viel anders aus. Die leckt nicht schon nach dreieinhalb Jahren, sondern erst im siebten Jahr seit Anschaffung. Der Elektriker kommt gerne, besieht sich den Schaden, erklärt, dass die Reparatur einschließlich Mehrwertsteuer etwa 300 Euro kosten wird, dass er aber nicht garantieren kann, dass die „alte Dame“ nicht schon bald wieder mit defekter Heizung oder defekter Pumpe oder ausgeschlagenem Lager auf seinen OP-Tisch müsste, weshalb er vorschlägt, gleich ein Neugerät zu liefern, wobei er die Kosten für die Anfahrt, die nun schon einmal angefallen sind, quasi als Anzahlung vom Neupreis in Abzug bringen werde.

Hersteller, Handel und Konsumenten haben bisher in stiller Übereinkunft der Tatsache Rechnung getragen, dass die Personalkosten bei einer weitgehend automatisierten Produktion am Band sehr niedrig ausfallen, während die Reparatur vor Ort beim Kunden, die in reiner Handarbeit und oft unter ungünstigen räumlichen Bedingungen stattfindet, fürchterlich personalintensiv und enstprechend teuer ist.

Also hat man bei Defekten während der Garantiezeit lieber gleich Ersatz geliefert, anstatt sich den Aufwand eines Reparaturversuchs anzutun, und bei Defekten nach Ablauf der Garantiezeit hat der Kunde schweren Herzens beschlossen, gleich ein Neugerät zu ordern und dabei von der kostenlosen Entsorgung des Altgerätes durch den Händler Gebrauch zu machen. In beiden Fällen war dies die kostengünstigste und ressourcenschonendste Lösung für Hersteller, Händler und Kunde.

Lassen Sie mich das am Beispiel einer Waschmaschine im mittleren Preissegment demonstrieren:

Die Waschmaschine steht – kostenlose Lieferung inbegriffen – mit 555,90 Euro zum Verkauf.

In diesem Preis sind 88,76 Euro Mehrwertsteuer enthalten. Dem Händler bleiben zunächst netto 467,14 Euro in der Kasse, doch davon muss er die Rechnung des Herstellers begleichen, der ihm die Maschine mit 50% des Netto-Preises, also für 233,57 Euro in Rechnung stellt. Wieviel dem Händler von seinen 233,57 Euro übrig bleiben, stellt sich erst am Ende des Geschäftsjahres heraus. Klar ist aber von vornherein, dass die kostenlose Lieferung, die er anbietet, seinen Anteil am Geschäft bereits auf 200 Euro pro Maschine reduziert.

Es kommt nämlich darauf an, wie viele Waschmaschinen mit dem verfügbaren Personal auf der verfügbaren Ladenfläche unter Nutzung der Werbe-Möglichkeiten verkauft werden können. Bei einer Verkaufs- und Lagerfläche von 80 m² mit Raumkosten von 35 €/m² und Monat, sowie zwei Beschäftigten im Waschmaschinenverkauf mit je 2.800 Euro monatlich brutto, kostet ihn das Waschmaschinengeschäft unter Berücksichtigung aller sonstigen Kosten nämlich rund 120.000 Euro pro Jahr. Das bedeutet, dass mindestens 600 Maschinen verkauft werden müssen, um die Kosten zu decken. Soll eine Umsatzrendite von 10% erzielt werden, müssen 783 Maschinen verkauft werden. Der Umsatz liegt dann bei 365.770,62 Euro, der Gewinn bei 36.600 Euro. Pro Maschine also knapp 50 Euro. Könnten bei unveränderten Kosten 1.500 Maschinen verkauft werden, läge der Gewinn pro Maschine bei 120 Euro.

Es besteht also ein großes Interesse daran, möglichst viele Waschmaschinen zu verkaufen.

Wenn also planmäßig nicht nur die kostendeckenden 600 Maschinen, sondern jährlich 1.500 Maschinen verkauft werden sollen, und eine Waschmaschine durchschnittlich 5 Jahre hält, bis die erste behandlungsbedürftige Macke auftaucht und eine neue Maschine verkauft werden kann, braucht unser Händler ein Potential von 7.500 Kunden (Haushalte), was ungefähr 15.000 Einwohnern entspricht.

Wird  die Nutzungszeit der Maschinen durch Reparaturen um 2 Jahre verlängert, braucht es ein Kundenpotential von 9.500 Haushalten oder 19.000 Einwohnern. Dummerweise lässt sich so ein Bevölkerungszuwachs vom Waschmaschinenhändler nicht herstellen. Es wird also anders kommen, nämlich so, dass er nicht mehr in der Lage ist 1.500 Maschinen pro Jahr zu verkaufen, sondern nur noch 1.071, wodurch der Gewinn auf 88 Euro pro Maschine schrumpft. Das ist übrigens der Augenblick, in dem der Händler darüber nachdenken wird, einen der beiden Angestellten zu entlassen.

Beim Hersteller bietet sich grundsätzlich das gleiche Bild.

Die Fabrik, das Band, die Roboter, ausgelegt auf 500.000 Waschmaschinen pro Jahr, hat 650 Millionen Euro gekostet und wird auf 10 Jahre mit je 65 Millionen Euro abgeschrieben. 25 Millionen für den Materialeinkauf und weitere 25 Millionen Personalkosten summieren sich zu 115 Millionen, der  geplante Gewinn beträgt 10 Millionen pro Jahr, so dass 500.000 Maschinen zum Preis von 250 Euro an den Handel abgegeben werden können.

Die Verlängerung der Nutzungsdauer der Maschinen von 5 auf 7 Jahre bedeutet eine Verringerung der Jahresproduktion von 500.000 auf nur noch 357.000 Maschinen. Material und Personalkosten sinken auf 36 Millionen, unter anderem, weil die Belegschaft von 500 auf 350 Mitarbeiter geschrumpft werden musste. Die Abschreibungen bleiben mit 65 Millionen jedoch gleich. Die Herstellungskosten pro Maschine steigen auf 283 Euro. Sollen darüberhinaus weiterhin jährlich 10 Millionen Euro Gewinn erzielt werden, die unter anderem erforderlich sind, um die zur Errichtung der Fabrik erforderlichen Kredite über 50 Millionen Euro mit jährlich 5 Millionen Euro zu tilgen, steigt der Preis, den der Händler zu zahlen hat, auf 311 Euro.

Das Ergebnis wird sein, dass der Händler die Maschine nicht mehr für 555,90 Euro anbieten kann, sondern den neuen Preis irgendwo zwischen 599,90 und 629,90 festlegen wird.

Das ist nicht nett gegenüber dem Kunden, doch der Kunde ist am Ende sowieso derjenige, der alles zu bezahlen hat.

Jahr Vorgang Preis Summe
1 Anschaffung Maschine 1 555,90 555,90
5 Reparatur Maschine 1 250,00 805,90
7 Anschaffung Maschine 2 629,90 1.435,80
12 Reparatur Maschine 2 275,00 1.710,80
14 Ende Maschine 2 1.710,80

Mit Beschaffung und Reparatur haben die beiden Waschmaschinen in 14 Jahren 1710,80 Euro gekostet. Pro Jahr also 122,20 Euro. Alle fünf Jahre eine Waschmaschine zum Preis von 555,90 Euro zu ersetzen, kostet jährlich etwas weniger, nämlich nur 111,18 Euro.

So ist unsere Welt, so ist unsere Zeit, so sind unsere High-Tech-Fertigungsanlagen und die Produkte, die damit erzeugt werden.

Die Reparaturpflicht ist ein weiterer Schritt auf dem Weg in die Deindustrialisierung.

Sinkende Produktionszahlen sind Deindustrialisierung. Sinkende Produktionszahlen bedeuten gleichzeitig steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Kaufkraft. Sinkende Kaufkraft führt zu weiteren Auslastungsproblemen, welche die Stückkosten steigen lassen, während die Löhne nicht mehr ausreichen, um Produkte in der gewohnten Qualität erwerben zu können.

Natürlich kann man behaupten, dass über die Reparatur von Waschmaschinen, Kühlschränken, Staubsaugern, Trocknern und Smartphones ein Heer von Arbeitslosen als Reparaturmechaniker wieder Arbeit finden wird, doch dies ist ein Traum, der an der Realität zerschellen wird.

Reparatur ist Dienstleistung. Dienstleistung muss von der Produktion finanziert werden. Wird die Produktion eingeschränkt und die Dienstleistung ausgebaut, schrumpft die Basis der Wertschöpfung. Weder können wir davon leben, dass wir uns alle gegenseitig die Haare schneiden, noch davon, dass wir uns alle gegenseitig die Waschmaschinen reparieren. Die Produktion ist die Quelle des Wohlstands.

Wer das nicht glauben will, dem sei ein Blick nach Kuba empfohlen. Dort werden seit den 60er Jahren die immer gleichen Automobile repariert. Es heißt, die Sanktionen der USA seien daran schuld. Daran ist auch viel Wahres. Ursächlich ist jedoch das von Fidel Castro erlassene Verbot des Imports von Automobilen durch Privatleute. Was den Kubanern geblieben ist, ist das Recht auf Reparatur. Die EU geht den umgekehrten Weg. Zuerst kommt das Recht auf Reparatur …

Die Ampel in Deutschland und die Kommission in Brüssel betreiben eine produktionsfeindliche Politik und führen uns mit Regulierungen, die in der Wirkung durchaus mit Sanktionen verglichen werden können, in die Kubanisierung.

Auch das Recht auf Reparatur ist ein Schritt in diese Richtung – und wenn gleichzeitig günstige Importe durch Strafzölle massiv verteuert werden, so dass überhaupt nur noch teure Autos auf den Markt kommen, dann ist Kuba wirklich nicht mehr fern.

Ob es einfach nur am Verständnis für die Zusammenhänge fehlt oder ob es böse Absicht ist, spielt keine Rolle. Wir brauchen eine andere, bessere Politik.