
Wenn Franzosen, Engländer, Deutsche und Polen zum gemeinsamen Wandertag nach Kiew aufbrechen, um den Ukrainer zu treffen, dann mutet das ein bisschen an wie eine Wallfahrt, als erhofften sich Marcron, Starmer, Tusk und Merz sowohl Sündenvergebung als auch Gebetserhörung und Gottes Segen und Glück auf allen Wegen.
Nun ist Selenski nicht unbedingt mit der Schwarzen Madonna von Tschenstochau zu vergleichen. Sein gesamtes Auftreten, das selbst eine Bitte noch als unmissverständliche Aufforderung (militärisch: Befehl) erscheinen lässt, wirkt eher wie der Habitus des Oberbefehlshabers einer aus allen Provinzen Brüssels zusammengewürfelten Armee, der eben nicht nur als der militärische, sondern auch als der politische Führer der Allianz auftritt und seinen Krieg zur Schicksalsfrage der EU gemacht hat.
Warum sich die EU so weitgehend seiner Führung unterordnet, ist nur schwer nachzuvollziehen.
Das offizielle Narrativ, dass Selenski nämlich an vorderster Front und ganz alleine seit nunmehr drei Jahren den russischen Überfall auf die EU aufhält, fühlt sich doch ein bisschen komisch an. Wäre nicht zu erwarten, dass die Streitkräfte der gesamten EU praktisch vom ersten Tag an im Feld stehen und mit allem, was sie haben, auf Russland schießen, gäbe es wenigstens einen hinreichenden Verdacht, dass Russland die EU überfallen will? Man erwehrt sich eines Feindes doch nicht, indem man sich ihm nacheinander einzeln entgegenstellt, und – wie hier aktuell – erst einmal abwartet, bis die Ukraine nicht mehr genug Soldaten hat, um über die gesamte Frontlänge hinweg standzuhalten. Und überhaupt: Wie soll es danach weitergehen?
Aus den Blättern erfahren wir, dass es diesmal darum gehen soll, den Heerführer der westlichen Werte zu einem 30-Tage-Waffenstillstand zu überreden. Dabei sei man sich mit US-Präsident Trump ausnahmsweise einmal einig. Friedrich Merz habe dazu sogar extra noch mit Trump telefoniert.
(Merz ist gerade erst im Amt, hat sich in der Ukraine-Frage als Falke geoutet, will den Taurus freigeben, weil es einen gerechten, und keinen Diktatfrieden geben soll, und telefoniert schnell mal mit Trump, und schon ist alles in Butter? So was erzählt mir üblicherweise mein Frisör …)
Mindestens drei, vielleicht auch alle vier Vertreter erklärten während der Anreise nach Kiew gemeinsam: „Wir bekräftigen unsere Unterstützung für die Forderung von Präsident Trump nach einem Friedensabkommen. Russland ist aufgefordert, die Bemühungen um einen dauerhaften Frieden nicht länger zu behindern.“
Hätte man nicht vielleicht besser nach Moskau fahren müssen, um Putin davon zu überzeugen, die Bemühungen um einen dauerhaften Frieden nicht länger zu behindern? Selenski in Kiew ist da doch der falsche Ansprechpartner!
Zumal Putin ja nicht mehr fordert, als die Einstellung der Waffenlieferungen an die Ukraine während einer Waffenruhe. Das ist durchaus nachvollziehbar, weil eine Waffenruhe ja der Vorbereitung auf Friedensverhandlungen dienen soll und nicht der Aufmunitionierung für den Tag 31.