Clara von Civey – die Umfragerei

Ich finde, „Umfragerei“ ist ein wunderbares Wort. Viel besser als „Meinungsforschungs-Institut“ oder „Demoskopische Anstalt“. Insbesondere, wenn es sich um solche Hau-Ruck-Umfragen handelt, bei denen eine einzige Frage, gestellt in einfacher Sprache, jeglichen Kontext ausblendend, auf die Befragten losgelassen wird, wie es Clara von Civey tagtäglich vorexerziert.

Heute lautet die Frage:

Sollte sich Deutschland Ihrer Meinung nach stärker für diplomatische Gespräche zwischen Russland und der Ukraine einsetzen?

Ja, auf jeden Fall?

Das trifft doch voll auf die realistätsblinde gutmenschliche Ader. Es muss doch Frieden werden. Also sollte sich Deutschland noch stärker für diplomatische Gespräche zwischen Russland und der Ukraine einsetzen.

Halt, Clara!

Mir ist nicht bekannt, dass sich Deutschland für diplomatische Gespräche zwischen den Kriegsparteien einsetzt.

Deutschland, das wäre der Bundeskanzler, eventuell noch der Außenminister. Von da höre und lese ich nichts dergleichen. Da ist die volle Unterstützung bei der Ukraine, wie schon beim Minsk II Abkommen.

Töne der Stärke, mal mit, mal ohne Taurus, und dass die Ukraine die westlichen Werte verteidigt, und, sollte Russland gewinnen, ganz Europa dem Untergang geweiht sei. Bestärkt durch den Beschluss, künftig jährlich 250 Milliarden Euro für die baldige Kriegstüchtigkeit auszugeben, während Russland längst von einer Kriegsbeteiligung Deutschlands ausgeht und sich notwendige Schritte vorbehält.

Stellt sich die Frage: Wie soll das aussehen, das mit dem stärkeren Einsetzen? Wo soll das ansetzen?

Sollen die deutschen Botschafter in Moskau und Kiew Putin und Selenski in die Botschaft einbestellen, um ihnen unmissverständlich klarzumachen, sie müssten sich jetzt sofort an einen Tisch setzen und diplomatische Gespräche führen?

Das ist doch eine kranke Vorstellung. 

Das würde ja die deutsche Einstellung zum Ukraine-Krieg vollends auf den Kopf stellen. Wir sind nicht neutral. Wir sind Partei. Putin wird mit Sanktionen belegt, Selenski mit Milliarden belohnt. Das Ziel ist negativ formuliert: Kein Diktatfrieden!

Kein Diktatfrieden heißt aber: Weiterkämpfen, bis eine Seite die weiße Flagge hisst.

Ich habe Clara von Civey geantwortet: Nein, auf keinen Fall.

Natürlich sieht das so aus, als wollten jene, die so antworten, genau das erreichen: Weiterkämpfen bis zum Sieg.

Weil die Gutmenschen, die glauben, Deutschland sei nicht nur prädestiniert, sondern auch befähigt, sich für diplomatische Gespräche einzusetzen,  das Friedensstreben schon abgegriffen haben, ergibt sich das kuriose Bild, dass die sinnloseste Idee zur Beendigung des Konflikts, nämlich einen ungeeigneten, wenn nicht gar den ungeeignetsten Vermittler einzusetzen, zur meistempfohlenen Strategie erhoben wird. Oder wordurch sollte sich ausgerechnet jene Regierung, die nach den USA der stärkste Unterstützer, Wafffenlieferant und Geldgeber der Ukraine und damit zweifelsfrei Partei ist, für eine Vermittlerrolle qualifizieren?

Alleine die Fragestellung vernebelt doch die Tatsache, dass die Ukraine als Stellvertreter des Wertewestens einen Krieg gegen Russland führt. Wobei die Rolle der USA anscheinend etwas in den Hintergrund rückt, während die Rolle Frankreichs, Großbritanniens, Polens und Deutschland inzwischen den Ausschlag zu geben scheint.

Manipulative Aspekte der Meinungsforschung hat es schon immer gegeben. Allerdings spielten die sich früher in jenen geheimen Giftküchen ab, in denen aus den Rohdaten durch allerlei geheime Zutaten, Destillationsprozesse und die Umschichtung von Unschärfen das gewünschte Bild erzeugt wurde. Clara von Civey verzichtet darauf. Die Frage wird zum Träger der Botschaft, während die sofort verfügbaren, unbearbeiteten Antworten nur noch das Eintreten des gewünschten Effekts bestätigen und ihn wohl auch noch verstärken sollen.

So freuen sich heute alle, die sich dafür einsetzen, dass ausgerechnet Deutschland auf die Konfliktparteien einwirken soll, der Mehrheit anzugehören und damit recht zu haben. Das hat mit Demokratie nichts zu tun, auch wenn es den Anschein erweckt.