
Als die „Westliche Wertegemeinschaft“ noch als „Christliches Abendland“ firmierte, war die Welt zwar nicht besser als heute, aber irgendwie inordnunger.
Es war nicht der Glaube selbst, von dem haben weder die Kleinen, noch die Großen wirklich etwas verstanden, geschweige denn verinnerlicht. Es war die rigorose Durchsetzung der kirchenreligiösen Gesetze und Formalien durch eine parallele Hierarchie, die neben und über jedem weltlichen Fürsten herrschte und ihre Macht entfalten konnte, weil sie sich auf den Unfehlbaren auf dem Stuhle Petri berufen konnte, der alleine Gottes Willen kannte und dem Menschenvolk mitteilen konnte.
Als die Macht des Papstes im sogenannten Investiturstreit in Frage gestellt wurde, obsiegte am Ende Papst Gregor VII., und König Heinrich IV. musste den Gang nach Canossa antreten.
In Wikipedia ist dazu nachzulesen:
Der Machtkampf zwischen dem deutschen König Heinrich IV. (1056–1106) und dem Papsttum begann 1075, als Papst Gregor VII. (1073–1085) – Anhänger der radikalen römischen Reformpartei – die bisher gültige Ordnung in Bezug auf das Papsttum und das Kaisertum in Frage stellte. In der nachfolgenden Auseinandersetzung setzte Heinrich zunächst den Papst ab, der es ihm seinerseits gleichtat. Daraufhin wurde dem König von Seiten der Fürsten ein Ultimatum gestellt, entweder der König löse den über ihn verhängten Kirchenbann wieder, oder aber man werde zur Wahl eines neuen Königs schreiten.
Damit wurde letztlich die durchgängige römische Ordnung bewahrt, an der sich das gesamte christliche Abendland ausrichtete, was die „Entfaltungsmöglichkeiten“ der Fürsten zwar beschnitt, ihnen aber zugleich die Sicherheit gab „mit Gottes Segen“ zu agieren.
Einen Friedrich Merz, der vor der Krönung mit Engelszungen Haushaltsdisziplin predigte und sich von allem grünen Werk und Wesen distanzierte, um – noch gar nicht im Amt – vehement das Gegenteil anzukündigen und dazu auch noch die Gefolgschaft der Grünen einzufordern, hätte es damals nicht gegeben, und wo es einer doch gewagt hätte, wäre es ihm bestenfalls ergangen wie seinerzeit Heinrich IV. Mit etwas weniger Glück hätte er sein Abenteuer jedoch nicht überlebt.
Natürlich wurde damals auch getrickst, gelogen und betrogen, wo immer sich daraus ein Vorteil erhofft wurde, aber nicht in schamloser Offenheit und vor aller Öffentlichkeit. Solches Verhalten hätte eben nicht nur unter den Fürsten und bis weit ins einfache Volk hinein Zweifel an der Ehrenhaftigkeit des Wendehalses aufkommen lassen, sondern auch die parallele, kirchliche Hierarchie in Verruf gebracht, nicht mehr stark genug zu sein, die göttliche Ordnung aufrecht zu erhalten.
Als Alice Weidel Friedrich Merz in der Bundestagsdebatte am 13. März zugerufen hat, er möge Deutschland einen Dienst erweisen und von seiner Kanzlerkandidatur zurücktreten, die AfD biete der CDU immer noch die Hand, aber nicht mit ihm, war das nach meiner Einschätzung nicht in erster Linie Ausfluss des Ärgers über die Verbannung der AfD hinter die Brandmauer, sondern die ehrliche Empörung über die Zerstörung der Ordnung, die ja nicht nur in dem Trick mit dem Missbrauch des abgewählten Parlaments für eine Grundgesetzänderung bestand, sondern und vor allem darin, dass Merz mit der Programmatik der AfD in den Wahlkampf gezogen war und Stimmen auf sich gezogen hat, nur um nach der Schließung der Wahllokale in einem wahren Furor damit zu beginnen, alle Wahlversprechen ins Gegenteil zu verkehren und dieses Gegenteil auch noch um ein Vielfaches aufzublasen.
Dass zugleich die (linke) Propagandamaschine angeworfen wurde, die nun – samt handverlesener Wirtschaftsweiser und Wehrexperten – unisono verkündet, das Heil Deutschlands sei daran geknüpft, dass nun mit Hast und Hetze ein gigantisches Schuldenloch aufgeworfen werde, womit sowohl der böse Putin abgeschreckt als auch ein neues Wirtschaftswunder erzwungen werden müsse, mag Merz für eine Bestätigung seiner Linie halten, es ist aber nur das freundliche Feuer von SPD und Grünen, die alles daran setzen, die Union tief in dem Schützengraben zu halten, in den Merz sie geführt hat, nachdem er sie gezwungen hat, alle funktionsfähigen Abwehrargumente auf dem politischen Schlachtfeld zurückzulassen, wohl wissend, dass diese nicht nur dem politischen Gegner gefährlich werden könnten, sondern vor allem ihm, der die Selbstaufgabe als Preis für die Verbrüderung und seine Kanzlerschaft zu zahlen bereit ist.
Arme CDU.
Es hat so ausgesehen, als hättet ihr euch in den drei Jahren in der Opposition wirklich von der Multi-Mutti-Kulti-Partei wieder zurückverwandelt in eine zumindest konservativ angehauchte Partei, es hat so ausgesehen, als wolltet ihr Deutschland wirklich unter Einsatz alter preußischer Tugenden wieder auf Vordermann bringen, und nun dies …
Wusstet ihr, was kommen würde?
Hat Friedrich Merz dies alles in der Partei offen kommuniziert?
Habt ihr, alleine um der Stimmen wegen, einen Wahlkampf geführt, in dem nichts von dem vorgekommen ist, was nun auf der Agenda steht?
Habt ihr alle an diesem Wortbruch mitgewirkt?
Hattet ihr einfach nur Angst, die Wähler zu ängstigen, mit dem, was nun als Wahrheit zur Begründung verkündet wird?
Wenn dem so sein sollte, und ich hoffe, dass es nicht so ist, dann geschieht es euch nur recht, wenn ihr, als die Abgemerkelten nun endgültig aus der Riege der wichtigen Parteien Deutschlands ausgemerzt werdet.
Wenn dem aber nicht so sein sollte, was hindert euch daran, euren Irrtum zu erkennen und zu versuchen, zu retten, was noch zu retten ist?
Friedrich Merz ist nur eine Figur in einem makabren Spiel.
Ihr sollte sie opfern, um wieder Luft zum Atmen und den Kopf frei zu bekommen.
Darauf zu warten, dass aus Rom ein Bannstrahl eintrifft und die Sache für euch in Ordnung bringt, ist vergebens. Ihr müsst schon euren eigenen Kompass mitbringen und die Marschrichtung danach ausrichten.
Das aber möglichst noch bevor ihr entweder von Harbarths Gnaden auf den wankenden Planken der bloßen Legalität die Verschuldungsorgie doch noch mit dem alten Bundestag begehen dürft, oder mit eingezogenen Schwanz in die Fortsetzung von Koalitionsverhandlungen gehen müsst, denen – ohne Moos nichts los – die Geschäftsgrundlage entzogen ist.
Arme CSU.
Ihr könntet den ganzen verrückten Plan zum Einsturz bringen. Aber die Fraktionsgemeinschaft aufzukündigen, das traut ihr euch ja doch auch diesmal wieder nicht.