BRICS – oder „Die Großen mehr als Sieben“

In wenigen Tagen trifft sich die halbe Welt in Kasan zum BRICS-Gipfel. In den deutschen Mainstream-Medien kommt der BRICS-Club allmählich als weltpolitische Größe an. Selbst die Tagesschau hat schon einmal einen längeren Artikel dazu verfasst, der allerdings mit einer Mischung aus Skepsis und Arroganz versucht, die Sache klein zu reden.

Doch, ganz ehrlich, was wissen Sie über BRICS, und was haben Sie vor 10 Jahren darüber gewusst?

Der nachfolgende Artikel ist auch – aber nicht nur – Werbung für „EWK – Zur Lage“, ein Dossier, das im Verbund mit dem Förder-Abonnement sechsmal pro Jahr erscheint und vor allem darauf ausgerichtet ist, neue Trends und Entwicklungen früh zu erkennen und zu beurteilen.

Wenn Ihnen BRICS also ziemlich neu ist, oder Sie nicht so genau wissen, was sich da über die Jahre mit welchen Schwierigkeiten und Erfolgen zusammengerauft hat, dann lesen Sie hier, was in den letzten 10 Jahren, in der Reihenfolge des Erscheinens,  in „EWK – Zur Lage“ über BRICS und die beteiligten Staaten berichtet wurde:

23. Juli 2014

Doch die halbe Welt kuscht vor den US-Gerichten und vor den Hedge-Fonds und zahlt bereitwillig den geforderten Tribut, mit welcher Begründung auch immer, und finanziert damit direkt das Weiße Haus und dessen weltweite Kriegseinsätze.

Die andere Hälfte der Welt hat indes eine Bombe gelegt und die Lunte gezündet, die das US-Dollar-Imperium zerreißen könnte.

BRICS Weltbank und BRICS Währungsfonds

In durchaus scheinheiliger Manier wurde die Gründung eines eigenen Währungsfonds der Staaten Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika damit begründet, man wolle dem bestehenden Welt-Finanz-System keine Konkurrenz machen, sondern es lediglich ergänzen.

Zweimal 100 Milliarden Dollar wurden in die beiden Institutionen als Startkapital eingebracht, mit dem Ziel, den Mitgliedsstaaten bei Zahlungsschwierigkeiten aus der Patsche helfen zu können und große Entwicklungsprojekte auch dann finanzieren zu können, wenn IWF und Weltbank nicht mitspielen wollen.

Eine Reaktion kam übrigens sehr schnell: Wohl auf Drängen der USA wurde auf dem letzten EU-Gipfel beschlossen, dass die europäischen Förderbanken (EIB und EBRD) keine neuen Projekte in Russland mehr unterstützen dürfen. Dies selbstverständlich unter dem leicht durchschaubaren Vorwand, Putin tue nicht genug zur Beendigung der von den USA mit mindestens 5 Milliarden Dollar gesponserten Ukraine-Krise.

Wie wird dieses neue „Weltbank II-Modell“ nun voraussichtlich funktionieren?

Die strategische Absicht ist meines Erachtens ebenso einfach, wie brillant. Es geht um nicht weniger, als die Befreiung der fünf Mitgliedsstaaten von allen bestehenden Dollar-Schulden, ohne dass es auch nur bei einem der fünf Mitglieder dabei zu finanziellen Schieflagen oder gar deflationären Erscheinungen kommen wird. Dabei wird das Spiel wie folgt funktionieren:

Fällige auf Dollar lautende Anleihen und fällige Zinsen werden von der BRICS-Weltbank umgeschuldet auf eine der Währungen der BRICS-Länder. Konkret folgt man damit dem Beispiel der EZB Mario Draghis. Neue Staatsverschuldungen werden aufgekauft und (auf Wunsch) in US-Dollar bezahlt. Der Nachschub an US-Dollar kommt dabei im Wesentlichen aus China, das die größten Dollar-Reserven angesammelt hat.

So können Indien und Brasilien, aber auch Russland und Südafrika, ihre Dollar-Schulden abbauen, während China seine (im Grunde wertlosen)  Reserven mühelos in Yüan, Rubel, Real, Rupien oder Rand umwandeln kann.

Das die Welt überschwemmende Dollar-Kapital verliert damit ganz massiv an Anlagemöglichkeiten und sicheren, zinszahlenden Schuldnern.

Der Kurs des Dollars an den Devisenmärkten müsste theoretisch sehr schnell zusammenbrechen, wenn dieses neue Bankensystem erst einmal ins Rollen gekommen ist, es sei denn, es findet sich jemand, der zu Stützungszwecken ganz massiv Dollars ankauft. Vermutlich werden solche Dollarankäufe jedoch nur noch in Euro (und davon gibt es noch nicht genug) oder gleich in Gold möglich sein. Die Fed müsste also die Tore von Fort Knox weit öffnen und würde damit nicht nur den Dollar stützen, sondern auch den Goldpreis in den Keller treiben. Gibt es keine Stützungsmaßnahme, werden sich alle Dollarschuldner, auch außerhalb der BRICS-Gemeinschaft, mit billigen Dollar eindecken und damit ihre Schulden begleichen. Die Folge: Die Dollar-Blase bricht zusammen, die einstige Weltleitwährung hat ausgedient und nur noch auf amerikanischem Territorium einen Wert, der jedoch durch die massive Verteuerung der Importe auch in einen inflationären Strudel gerät.

Fordert dann China, der Hauptlieferant der USA, auch noch die Bezahlung seiner Exporte in Yüan, bricht die Versorgung der USA zusammen.

Dies ist, in kurzen Zügen, das Ei, das die BRICS-Staaten den USA ins Nest gelegt haben, ein Ei, dessen Explosion auch die EU mit in den Abgrund reißen wird, weil die finanziellen Verflechtungen mit dem Dollar-Raum immer noch zu eng sind, um dieser Schockwelle zu entkommen.

Die USA haben zwei Chancen, diesem Szenario zu entrinnen. Die eine ist ein neuer Weltkrieg, mit dem Ziel, China und Russland vernichtend zu schlagen. Die andere besteht darin, das Welt-Finanzsystem auf dem Verhandlungswege neu auszutarieren.

Beide Wege bedeuten, dass die USA schwere Schäden einstecken müssten. Nämlich entweder durch massive Einwirkung atomarer Waffen auf dem eigenen Staatsgebiet, oder durch die Aufgabe der dominierenden Rolle im Welt-Finanz-System.

Es kommt nur darauf an, welche der möglichen Folgen beim in den USA beheimateten Großkapital die größeren Verlustängste hervorruft.

Ich rechne mit dem Versuch, durch vermehrte Konflikte und Krisen rings um die eigentlichen Drahtzieher dieses BRICS-Abkommens, nämlich China und Russland, sowie durch weitere und immer schärfere Sanktionen, einen wirtschaftlichen und psychologischen Zermürbungsfeldzug zu führen, der dazu führen soll, mit besseren Karten in die Verhandlungen um ein neues, gerechteres Welt-Finanzsystem eintreten zu können.

In diesem Pokerspiel geht es um nicht weniger als um die Preisgabe einer fast schon gewonnenen Weltherrschaft – und das macht dieses Spiel zur gefährlichsten Partie der Weltgeschichte.

 

14. Januar 2015

Russland – China

Die Achse Moskau-Peking wird laufend in kleinen Schritten verstärkt. Insbesondere hilft Peking derzeit dabei, Russland mit dringend benötigten Devisen zu versorgen, und wahrscheinlich auch dabei, Embargo-Güter zu beschaffen.

Im Dezember trat ein Abkommen zwischen Russland und China in Kraft, das den direkten Devisenhandel zwischen den beiden Staaten unter Ausschluss des Mediums US-$ ermöglicht. Auf die Gründung einer BRICS-Weltbank und eines BRICS-Währungsfonds habe ich schon in einer früheren Ausgabe hingewiesen. Nun tragen diese Vereinbarungen erste Früchte.

Die Macher der US-Website „Zerohedge“ halten es sogar für möglich, dass China und Russland eine gemeinsame Währung vorbereiten, die auf Basis der chinesischen Währungs- und Goldreserven und der gewaltigen russischen Rohstoffvorkommen dem Dollar ernsthafte Konkurrenz machen könnte.

Doch bevor es dazu kommen wird, kann sich Russland auf das Wort des  chinesischen Außenministers Wang Yi stützen, der am 20. Dezember 2014 in einem Fernsehinterview äußerte: „Wenn Russland Hilfe braucht, werden wir im Rahmen unserer Möglichkeiten helfen“.

Der Rahmen dieser Möglichkeiten ist weit gesteckt. Der Angriff auf Russland über Sanktionen, Beschränkungen in der Devisenbeschaffung und den Sturz des Ölpreises scheint nach ersten Erfolgen ins Stocken gekommen zu sein.

 

25. März 2015

 

China und BRICS

In EWK-Zur Lage vom Juli 2014 widmete ich der Gründung von zwei neuen, internationalen Finanzinstitutionen einige Gedanken. Die BRICS-Staaten hatten die Gründung einer zweiten Weltbank und eines zweiten Weltwährungsfonds bekanntgegeben. Damit sollten der US-dominierten Weltbank und dem US-dominierten Weltwährungsfonds mit einem Startkapital von insgesamt  200 Milliarden US-Dollar Institutionen gegenübergestellt werden, die „nicht US-hörigen Staaten“ helfen, Zahlungsschwierigkeiten zu überwinden, bzw. Entwicklungsprojekte zu finanzieren.   

Dass, und auf welche Weise, diese beiden neuen Institutionen schon in wenigen Jahren in der Lage sein werden, die Dollar-Hegemonie zu zerstören, habe ich im Juli letzten Jahres ausgeführt. 

Die jüngste Entwicklung – die aus chinesisch-russischer Sicht eine kontinuierliche Weiterentwicklung darstellt – hat innerhalb der „westlichen Dollargemeinschaft“ allerdings ein von den Medien nur wenig beachtetes Erdbeben ausgelöst.

Die neue Entwicklungsbank AIIB, mit Sitz in China, von der ich derzeit noch annehme, dass es sich dabei um die im Juli letzten Jahres von den BRICS-Staaten beschlossene Entwicklungsbank und nicht um eine zusätzliche chinesische Initiative handelt, hat inzwischen die wichtigsten EU-Staaten als Partner gewonnen.

Großbritannien machte den Anfang und beteiligte sich mit 50 Milliarden Dollar an einer Bank, die Entwicklungs- und Infrastrukturprojekte im asiatischen Raum finanzieren soll. Nun haben auch Frankreich, Italien und Deutschland (!) ihre Beteiligung erklärt und sich damit gegen den erklärten Willen der USA eine Tür geöffnet, die zur Realisierung von Projekten führt, die gegen die wirtschaftlichen und geostrategischen Interessen der USA verstoßen, was unter der Alleinherrschaft von IWF und Weltbank bisher nicht möglich war.

Diese Hinwendung zum asiatischen Raum, der gleichzeitig auch ganz intensiv und symbiotisch mit den Interessen Russlands verflochten ist, muss, angesichts der von den USA diktierten (EU-)Sanktionen als ein deutlicher Affront an die Adresse Washingtons interpretiert werden, der nur vergleichbar ist mit der historischen Entscheidung des französischen Präsidenten Charles de Gaulle, Frankreich aus der NATO herauszulösen und keine amerikanischen Atomwaffen auf französischem Boden zu dulden, die in den Jahren von 1958 bis 1966 stufenweise umgesetzt wurde.

Denn auch die Beteiligung wichtiger Euro-Staaten an der AIIB kann ja nur als ein erster Schritt zur Bildung eines Finanz- und Währungsverbundes angesehen werden, der eines Tages vollständig unabhängig von der bisherigen Weltreserve- und Leitwährung sein wird.

Die Brisanz dieser Entwicklung kann gar nicht überschätzt werden, hängen die USA doch am Tropf ihrer Gläubiger und können sich nur durch die Bedeutung des Dollars für den Welthandel und den daraus resultierenden Dollar-Hunger der Importeure einigermaßen über Wasser halten.

Zugleich ist die Absetzbewegung von Frankreich, Italien und Deutschland auch ein Indiz dafür, dass unter den großen Euro-Staaten das Vertrauen in den Bestand des Euros nicht ausreicht, sich mit einem dritten, eigenen Institut dieser Art (was ja die EZB weder sein soll, noch bisher geworden ist) zwischen den neuen großen Blöcken zu etablieren. Der Gedankengang sieht eher so aus, dass man schon jetzt den Anker sucht, an dem man Halt finden könnte, wenn die Dollarherrlichkeit eines Tages in sich zusammengebrochen sein wird.

 

17. Mai 2015

Der Traum von einer unipolaren Welt unter der Vormacht USA ist ausgeträumt. Die US-Führung ist zwar noch nicht erwacht, doch der Traum ist zu Ende. 

Was sich abzeichnet, ist zunächst eine tripolare Welt.

Russland und China  

werden sich im Verein mit den übrigen BRICS-Staaten zu einem neuen Block organisieren und an den Rändern kleinere Staaten an sich binden werden.

Die USA  

verlieren wichtige Verbündete in Europa und werden wohl überall da, wo sie Stützpunkte in Nachbarschaft zu den BRICS-Staaten halten, an Einfluss verlieren oder hinausgeworfen werden.

Wackelkandidaten sind Kanada und Großbritannien. Möglich, dass sich beide den USA zuwenden, Camerons Abstimmung über den Verbleib in der EU deutet jedenfalls darauf hin, und Kanadas geografische Nachbarschaft zu den USA ebenfalls.

 

29. Juli 2015

Börsencrash in China

Die Abwärtsbewegung an den chinesischen Börsen ist spektakulär und hat auch die Kurse in den USA und an den deutschen Börsen deutlich tangiert.

Ich bin zu weit weg von China, um alle Hintergründe ausleuchten zu können, doch ich habe eine Theorie, die meines Erachtens durch die bisherigen Ereignisse noch gestützt wird:

Begonnen hat alles mit einem steilen Anstieg des chinesischen Leitindexes um rund 150 Prozent innerhalb von 12 Monaten. Das heißt, ein Depot, das zu Beginn dieser Phase 100.000 Yüan wert war, stand am Ende auf 250.000 Yüan. Es heißt, diese Kursrallye sein von Privatanlegern mit auf Kredit gekauften Aktien angetrieben worden. Wer diese Kredite an wen vergeben hat und woher die Aktienanleger stammten, war mir nicht möglich, herauszufinden.

Der Absturz begann im Juni 2015. Innerhalb von weniger als drei Wochen verlor der Leitindex 32 Prozent, das heißt, das Depot, das zunächst noch 250.000 Yüan wert war, stürzte auf 170.000 Yüan ab. Jetzt griff die chinesische Regierung ein und ließ mit frischem Zentralbankgeld ein massives Aktien-Ankaufprogramm anlaufen, zudem wurden – sinnigerweise – die Zinsen gesenkt, und den börsennotierten Unternehmen wurde gestattet, die eigenen Papiere vom Börsenhandel auszusetzen.

Dies brachte für kurze Zeit eine Stabilisierung der Kurse. Spätestens seit Anfang dieser Woche geht es jedoch wieder steil bergab. Am Montag der größte Tagesverlust seit 2007 – das kostete 8,7 Prozent Börsenwert; am Dienstag ging es weiter vier Prozent nach unten, so dass von den 150 Prozent Anstieg eines ganzen Jahres nach ein paar Wochen nur noch 50 Prozent übrig geblieben sind.

Heute, am Mittwoch, schlossen die chinesischen Börsen nach massiven Käufen der chinesischen Regierung innerhalb von nur einer halben Stunde mit einem Plus von 4,5 Prozent.

Nun lassen Sie mich das zusammenreimen:

  • China sitzt auf einem hohen Berg an Devisenreserven, hauptsächlich in Form von US$.
  • Zugleich befinden sich – wie fast überall auf der Welt – weite Teile des Aktienkapitals chinesischer Unternehmen in ausländischem Besitz.
  • Dies bedeutet einerseits einen ständigen Abfluss chinesischer Unternehmensgewinne an ausländische Anleger und andererseits einen unerwünschten Einfluss ausländischer Aktionäre auf die Unternehmens-Strategien.

Wenn China nun die Chance nutzt und massiv Aktien inländischer Unter-nehmen mit verbilligtem Zentralbankgeld aufkauft, werden beide negativen Einflüsse zumindest geschwächt. Mit dem erneuten offiziellen Eingreifen der Regierung bei niedrigem Index werden erneut Anleger ermutigt, schnell zu verkaufen, was wiederum eine Verbesserung der nationalen Situation mit sich bringt.

Sollte das die Absicht gewesen sein, bzw. noch sein, ist die Wette aufgegangen.

Alle Ausländer, die sich vom steilen Anstieg der chinesischen Börsen anlocken ließen, haben Kapital nach China exportiert, letztlich also die Devisenreserven noch erhöht. Sollte diese Spekulation vom Ausland ausgegangen sein, dann wohl mit der Absicht, auf hohem Kursniveau zu verkaufen und damit mehr Kapital abzuziehen als vorher eingebracht wurde. Eine Gefahr, die man in China offensichtlich erkannt hat.

Wobei ich davon ausgehe, dass der vor nun knapp zwei Monaten eingeleitete Kursrutsch für die chinesische Führung keineswegs überraschend kam, sondern durch entsprechende Prognosen, das Wachstum und die Gewinnaussichten chinesischer Unternehmen betreffend, sowie durch kurswirksame Verkäufe gezielt eingeleitet wurde.

Sämtliche Rettungsmaßnahmen erfolgtem auf einem Niveau, auf dem ausländische Investoren längst Federn gelassen hatten – und verhalf dem chinesischen Staat zu mehr Einfluss in den eigenen Unternehmen, vor allem auch bei den chinesischen Technologie-Konzernen und Waffenschmieden.

Dass westliche Analysten behaupten, wenn es China nicht gelänge, das Vertrauen der Märkte wieder zu gewinnen, könne es seine Wachstumsziele nicht erreichen, klingt wie das Pfeifen im nächtlichen Wald. Ich vertrete seit mindestens 2007 die Auffassung, dass China vom Vertrauen der so genannten Märkte auf dieser Welt am wenigsten abhängig ist. Ich zitiere hier gerne aus dem Paukenschlag „Das Beben der Märkte“ vom 16. August 2007:

Asien wird die Krise mit geringen Schäden überstehen.
China wird sich verhältnismäßig leicht und ohne großen Schaden aus dem Staub machen können. Die Dollar-Reserven waren bisher kaum angetastet worden – man wird sie auch in Zukunft nicht brauchen. Die Dollar Krise ermöglicht es, den Yuan zu einem günstigen Zeitpunkt definitiv vom Dollar abzukoppeln, das eigene Geldsystem auf sichere Beine zu stellen – und vermehrt für den riesigen, in keiner Weise gesättigten Binnenmarkt zu produzieren, auch wenn neben den USA noch weite Teile Europas als Abnehmer ausfallen.
Ähnliches gilt für Korea, Vietnam, Indien und andere aufstrebende Volkswirtschaften in Asien.
Japan wird – ähnlich wie Deutschland – zu den großen Verlierern gehören.

Es ist und bleibt der gigantische chinesische Binnenmarkt, der bei einer vernünftigen Wirtschaftspolitik noch über viele Jahre ein selbsttragendes Wachstum bei ständig steigendem Wohlstand der gesamten Bevölkerung hervorbringen kann und wird, der China von ausländischem Kapital so unabhängig macht, wie es sonst kaum ein Staat auf dieser Welt ist.

Alle Wetten mit chinesischen Papieren können von China gewonnen werden, wenn es dies will.

Alle chinesischen Kapazitäten, die noch großteils für den Export genutzt werden, könnten genauso gut für den Binnenmarkt produzieren. Alles was es dazu braucht, ist eine großzügigere Lohnpolitik, die noch nicht einmal zu Inflation führen muss, solange sich Angebot und Nachfrage auf dem Binnenmarkt die Waage halten.

Dieser Prozess, den eigenen Binnenmarkt zu versorgen, ermöglicht es auch, dem Umwelt- und Arbeitsschutz eine weit höhere Priorität einzuräumen, weil eben nicht zwingend zu Tiefstpreisen für internationale Abnehmer produziert werden muss.

Ich meine, dieser Umstellungsprozess ist in vollem Gange. Alleine die Rüstungsindustrie, die in China herangewachsen ist, um die eigenen Streitkräfte auszurüsten, zeigt, dass längst nicht alle Industriezweige nur auf Exportmärkte ausgerichtet sind. Das Wachstum der Metropolen die in den Himmel schießenden, durchaus prachtvollen Wolkenkratzer dienen ebenfalls nicht dem Export. Womöglich wird es bald soweit sein, dass der Rest der Welt von China weiterhin mit Produkten aus der Billigfertigung beliefert wird, während in chinesischen Geschäften zunehmend hochwertige Qualitätsware aus eigener Produktion angeboten wird.

Sie können es, die Chinesen – und sie haben den Westen im Grunde vorgeführt wie einen Tanzbären, weil die Gier, die Hoffnung auf das schnelle Geld, die ja zunächst auch erfüllt wurde, im Laufe der Zeit ein-fach blind gemacht hat.

 

28. September 2015

Die Börsen der Welt

Das ist schon eine „saukomische“ Entwicklung, die meines Erachtens auch von den professionellen Börsengurus überhaupt noch nicht zu Ende gedacht worden ist. Natürlich ist Börse prinzipiell ein Nullsummen-Spiel, für das prinzipiell auch die Erkenntnis gilt: „Das Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer.“

Die Frage, die ich mir stelle, lautet dabei gar nicht, wer dieser „Andere“ wohl sein mag, sondern vielmehr, wo das Geld hingeflossen ist, das dieser „Andere“ eingesteckt hat.

Geht man davon aus, dass der vorangegangene Anstieg der Kurse nichts mit günstigen Wirtschaftsdaten zu tun hatte, sondern alleine von der Geldschwemme angetrieben wurde, die mit QE-Programmen in den USA, in Japan und in der Euro-Zone ausgelöst wurde, dann fragt man sich schon, warum die Kurse kollabieren, wo das billige Geld doch weiterhin munter sprudelt.

Schlechte Zahlen aus China sollen die Ursache sein?

Weniger Wachs-tum als gewohnt? Das klingt für mich wie ein schlechter Witz. Das haben die schlechten Zahlen Europas nicht geschafft, das haben die schlechten Zahlen der USA nicht geschafft und die schlechten Zahlen Japans auch nicht. Gegen alle diese schlechten Zahlen sind DAX und DOW unbeeindruckt angestiegen, weil viel zu viel Geld da war und die Zinsen unterhalb der Grasnarbe gesucht werden mussten.

Es ist immer noch viel zu viel Geld da. Die Zinsen sind immer noch im Keller. Die Börsen brechen ein – und die Edelmetall-Notierungen reagieren praktisch nicht. Der Ölpreis bleibt im Keller.

Wo, bitteschön, treibt sich die Liquidität herum?

Die Antwort kann ich heute noch nicht geben, womöglich wurden einfach nur Kredite getilgt, mit deren Hebelkraft die Spekulation angetrieben worden war.

Die Spekulation darauf, dass die FED die Zinsen erhöhen wird, ist nicht aufgegangen. Es mag sein, dass sich einige vorsichtig vorzeitig aus den Aktien verabschiedet haben um rechtzeitig in die Bonds einsteigen zu können. Doch die müssten im Grunde längst wieder umdisponiert haben.

Das Bild, das sich heute bietet, ist jedoch desaströs.

Der DAX hat von April bis September rund 3.000 Punkte und damit fast ein Viertel seines Wertes verloren. Der Hang Seng Index bewegte sich im gleichen Zeitraum von 28.000 Punkten auf 21.000 Punkte herunter –ebenfalls 25 Prozent. Der Dow Jones kam etwas besser weg. Er verlor von seinem Höchststand im Mai bis heute rund 2000 Punkte, immerhin auch 10 Prozent.

In einer solchen globalen Welle der Kursverluste muss es neben den rein spekulativen Machenschaften, auch der größten Player, tatsächlich ein realwirtschaftliches Element geben. Es kann angenommen werden, dass das Vertrauen in die Gewinnerwartungen der Weltwirtschaft geschwunden ist, weil das Vertrauen in das immerwährende Wachstum der Weltwirtschaft zusammengebrochen ist, auf dem das ganze Kartenhaus des Kapitalismus errichtet ist.

Ein Blick auf die möglichen Ursachen dieses Vertrauensverlustes schafft schnell Klarheit.

China befreit sich von seiner Rolle als „Werkbank der westlichen Welt“ und bereitet sich darauf vor, im Zusammenspiel mit dem Nachbarn Russland einen eigenen, großen und von westlichem Kapital unabhängigen Wirtschaftsraum zu errichten.

Die Aktivitäten der BRICS-Staaten, die ja nicht nur engere wirtschaftliche Zusammenarbeit beschlossen, sondern auch eine eigene „Weltbank“ und einen eigenen „Währungsfonds“ gegründet haben, der Ausbau der neuen Seidenstraße, deren westlicher Endpunkt zwar in der EU liegt, die aber über ihren gesamten Verlauf Prosperität hervorbringen wird, die Energielieferverträge zwischen China und Russland, all das weist darauf hin, dass dort ein Wirtschaftsraum entsteht, der nach eigenen Regeln gestaltet und mit eigenen Mitteln, sowohl finanzieller als auch militärischer Natur verteidigt werden soll.

Wie ich an anderer Stelle bereits erwähnte, erachte ich den Kursrutsch an den chinesischen Börsen für eine gezielt eingeleitete Maßnahme, um es dem chinesischen Staat zu erlauben, in allen Schlüsselindustrien den Staatsanteil – und damit den Staatseinfluss – an den Unternehmen zu steigern. Im Übrigen ein sehr eleganter Weg, um Devisenreserven fragwürdiger Werthaltigkeit in Sachvermögen im Inland umzuwandeln. Der Versuch, der westlichen Medien, dies als „Stützungskäufe“ zu interpretieren ist m.E. grottenfalsch.

Der nächste Schritt wird meines Erachtens darin bestehen, dass der chinesische Export durch gezielte Aufwertung des Yüan und gleichzeitige Preiserhöhungen weiter gedrosselt wird, was sämtliche Abnehmer chinesischer Waren auf dem falschen Fuß erwischen wird, weil die eigenen Kapazitäten abgebaut sind und die überall im kapitalistischen Westen hohen Arbeitslosenzahlen große Schwierigkeiten bereiten, erneut rentabel produzieren zu können. Nicht, dass die Arbeitslosen nicht in Arbeit zu bringen wären, es liegt daran, dass die Kaufkraft in den westlichen Binnenmärkten für Produkte aus eigener Produktion schlicht nicht vorhanden ist und auch nicht wieder geschaffen werden kann, es sei denn, die Wirtschaft würde auf weite Teile ihrer gewohnten Gewinne verzichten.

Wir werden in den nächsten Jahren ganz erhebliche Verwerfungen auf dem Weltmarkt erleben, die auch vor der EU und Deutschland nicht Halt machen werden. Es wird zu Versorgungsengpässen kommen und in der Folge zu Preissteigerungen, die jedoch nicht der Ausweitung der Geldmenge geschuldet sind, also keineswegs Inflation signalisieren, sondern lediglich „Teuerung“ mit zusätzlicher deflationärer Wirkung.

Sicherlich können wir relativ leicht auf allerlei High-Tech-Schnickschnack im Unterhaltungs- und Kommunikationsbereich verzichten, mit dem uns China bisher überschwemmte, sicherlich auch auf ganze Containerschiffe voll mit billigen Plastik- und Alu-Spritzgussteilen für Küche und Kinderzimmer, für Weihnachtsdekoration und Gartenmöblierung. Selbst Bücher, die bisher in großen Auflagen in China gedruckt und gebunden wurden, könnten wieder ein Preisniveau erreichen, das kaufhemmend wirkt.

Doch der vermutlich erforderliche Konsumverzicht wegen des fortschreitenden Rückzugs des bisherigen Hauptlieferanten, der vom einzelnen Konsumenten noch verkraftet werden kann, hat ja noch eine andere Konsequenz: Massive Einbußen bei den Importeuren und beim Handel, die sich wiederum in Sparmaßnahmen und Personalanpassungen niederschlagen werden.

 

2. Februar 2017

Russland und China

In einer sehr viel komfortableren Lage befindet sich Russland. Die Kooperation mit China und den weiteren BRICS-Staaten entwickelt sich von den westlichen Medien nahezu vollkommen unbeachtet weiter voran. Es kann noch nicht von einer Blockbildung gesprochen werden, und wahrscheinlich ist das auch nicht der Zweck der Übung. Die beiden großen Mächte in diesem Verbund wissen, dass keiner stark genug ist, um sich über den anderen als Hegemon aufzuschwingen, und sie haben erkannt, dass ein friedliches Miteinander weitaus vorteilhafter ist als ein bis an die Zähne bewaffnetes gegenseitiges Belauern.

Was über hundert Jahre erklärtes Ziel der USA war, nämlich zu vermeiden, dass russische Rohstoffe und deutsche Wirtschaftskraft je friedlich vereint werden könnten, vollzieht sich jetzt, mit noch viel größerem Potential, einige Breitengrade weiter östlich. Russische Rohstoffe und chinesische Wirtschaftskraft wachsen zusammen und bilden einen riesigen gemeinsamen Markt mit einem noch unendlich scheinenden Wachstumspotential.

Die Annahme, der neue Protektionismus der USA könne China schaden, ist irrig. China ist technisch auf Augenhöhe mit den Europäern und den Amerikanern angekommen. China ist durch Jahrzehnte preiswerter Exporte reich geworden – auf dem Rücken der eigenen Bevölkerung. Es ist – volkswirtschaftlich betrachtet – nicht schwer, den bisher in Form von Gütern exportieren Wohlstand nun der eigenen Bevölkerung zukommen zu lassen. Die Abhängigkeit vom Export ist im Grunde längst überwunden. Das ermöglicht Lohnanpassungen nach oben – und könnte einen regelrechten Boom auf dem Binnenmarkt hervorbringen. Da die Chinesen klug sind und ihre Wirtschaft nicht auf diese Weise überhitzen wollen, wird das ein allmählicher Prozess werden. Die Kapazitäten können dennoch ausgelastet werden, denn das weite Russland, erschlossen über die neue Seidenstraße, sowie die übrigen europäischen Abnehmer, werden den Warenausstoß aufnehmen können.

Russland profitiert aber nicht nur von seiner bestechenden China-Politik.
Russland hat es geschafft, im Nahen Osten zu einer nicht mehr zu ignorierenden Ordnungsmacht zu werden. Auch hier kann nur von einer über Jahre klug geplanten und geduldig abwartend, im richtigen Augenblick umgesetzten Politik gesprochen werden, die nun darin gipfelt, dass der Syrien-Friedensprozess und der Kampf gegen den IS faktisch von Russland dominiert werden. Dies bedeutet zugleich, dass der Iran, als Verbündeter Syriens, ebenfalls in den Einflussbereich Russlands gezogen wurde und damit aus der Isolation herausgefunden hat. Der Versuch Obamas, diesen Prozess durch Aufhebung der Sanktionen und den Nuk-lear-Pakt mit dem Iran aufzuhalten, ist fehlgeschlagen. Das Stellungsspiel Russlands auf dem geostrategischen Schachbrett ist aufgegangen.
Dass Trump den Iran nun wieder auf die Liste der Bösen gesetzt hat, zeigt, dass auch er in geostrategischen Kategorien denkt.

 

24. Oktober 2018

China

China nennt die Strafzölle der USA inzwischen „Handels-Tyrannei“. Die bisher letzte Stufe der Eskalation wurde am 24. September gezündet. Chinesische Waren im Wert von 200 Mrd. Dollar wurden zusätzlich mit Strafzöllen belegt. China reagierte mit Zöllen auf US-Produkte im Wert von 60 Mrd. Dollar. Damit hat China sein Pulver faktisch verschossen, denn US-Exporte Richtung China erreichen das chinesische Exportvolumen Richtung USA bei weitem nicht.

Worum es bei diesem Handelskrieg geht, lässt sich vordergründig leicht beschreiben: Donald Trump sieht ein erhebliches Außenhandelsdefizit der USA gegenüber China und will das beheben. Dies wird von den meisten Beobachtern so interpretiert, dass Trump daran gelegen ist, einen verbesserten Zugang zum chinesischen Markt zu erhalten und einen besseren Investitionsschutz – am besten ein Freihandelsabkommen, in dem dies alles geregelt wird.

Die Chinesen signalisieren, ungelenk wie die Winkerkrabben, dass sie dazu durchaus bereit wären, doch statt zu Verhandlungen kommt es immer wieder nur zur Verhängung neuer Zölle, was das Spiel ziemlich einseitig aussehen lässt.

Meines Erachtens geht es Trump sehr viel weniger darum, den chinesischen Markt für US-Produkte zu öffnen, als darum, den Wettbewerbsvorteil chinesischer Anbieter auf dem US-Heimatmarkt durch Zölle zu vernichten und damit den Anreiz für die Wiederaufnahme der Produktion im eigenen Markt zu schaffen, was quasi dem Reimport der an China verlorenen Arbeitsplätze gleichkommt.

Anmerkung:

Gäbe es im Bereich des Außenhandels noch deutsche Souveränität und würde die Bundesrepublik Zölle auf Textilien, Porzellan und Glaswaren erheben, wir hätten im ganzen Bayerischen Wald, von Hof bis Freyung innerhalb von zwei Jahren Vollbeschäftigung.
Das wäre jedoch ein Konzept, das nicht auf die Erzielung von Gewinnen aus Exportüberschüssen, sondern auf die Herstellung von breitem, all-gemeinem Wohlstand ausgelegt ist, wie es die „Soziale Marktwirtschaft“ einst vorsah. Insofern ist Trump offenbar ein Anhänger von Alfred Müller Armack und Ludwig Erhard.

 

2. Juli 2019

Mercosur

Seit fast dreißig Jahren dümpelt die südamerikanische Wirtschaftsunion, die nach dem Vorbild der EU ins Leben gerufen wurde, praktisch wirkungslos vor sich hin. Argentinien, Brasilien, Paraguay und Urugay waren und sind zu verschieden, um seit der Gründung 1991 wenigstens eine Zollunion zustande zu bringen, weshalb auch von einem gemeinsamen Binnenmarkt nicht die Rede sein kann.

Um so überraschender kam dieser Tage die Nachricht an, die EU und Mercosur würden gemeinsam den größten Binnenmarkt der Welt mit fast 800 Millionen Einwohnern auf die Beine stellen.

Das Ding hat drei Pferdefüße.

  • Noch ist außer Absichtserklärungen nichts unterschrieben, noch ist nichts zu Ende verhandelt, noch liegen keine Verträge vor. Die Mitteilung wurde von unseren Medien jedoch mit großer Euphorie verbreitet, ganz so, als ginge es schon morgen los, mit den Agrarimporten der EU aus Südamerika und den Autoexporten der Deutschen nach Brasilien und Argentinien. Nichts ist in trockenen Tüchern!
  • Sollte das Freihandelsabkommen denn eines Tages tatsächlich unterschrieben werden, gibt es auf Mercosur-Seite keinen Partner, der auch nur halbwegs die Einigkeit der Südamerikaner so vertreten könnte wie die Kommission der EU. Letztlich handelt es sich also nicht um ein Freihandelsabkommen zwischen zwei supranationalen Organisationen, sondern nur um einen „Einheitsvertrag“, der zwischen der EU und vier unabhängigen Partnern abgeschlossen wurde. Das spricht nicht für eine lange Haltbarkeit des Vertrages, sondern eher dafür, dass ein Staat nach dem anderen wieder aus der Vereinbarung herausbrechen und gesonderte Verträge abschließen wollen wird, so wie auch Chile, Kolumbien und Peru je ihre eigenen Verträge mit der EU geschlossen haben.
  • Die globalistische Strategie, die Mercosur-Staaten (auf Kosten des Regenwaldes, der eigenen industriellen Entwicklung und der europäischen Landwirtschaft) zu einer Welt-Agrar-Produktionszone zu entwickeln, während Europa als reiner Industriestandort weiter ausgebaut wird und in Bezug auf die Nahrungsmittelversorgung noch mehr in Abhängigkeit von den weltweiten Lieferströmen gerät als sowieso schon, stößt bei allen Betroffenen auf deutliche Kritik.

Es sei ein Gegenmodell zu Trumps Politik der Abschottung und der Zoll- und Handelskriege heißt es, und ein Großteil der verbreiteten EU-phorie stützt sich auf nichts anderes als die Tatsache, dass man wieder mal etwas anders macht als Trump, weshalb es ja nur gut sein kann.

Mir fällt mein jüngster Paukenschlag vom Donnerstag ein. „Staat? Was ist das?“, lautet die Überschrift. Schon die Gründung der EU war ein gezielter Schritt zur Entstaatlichung der Mitglieder, das neuerliche Freihandelsabkommen ist ein weiterer Schritt zur Entstaatlichung im Rahmen einer neuen Weltordnung, für deren Bestehen es Voraussetzung ist, die wirtschaftliche Autonomie der bisherigen Staaten und vor allem deren Autarkie zu zerstören. Im Prinzip das Gleiche, was die kommunistische Planwirtschaft in ebenfalls großem Stil mit dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe auf die Beine gestellt hatte, nämlich die Spezialisierung und Arbeitsteilung zwischen den Bruderstaaten zu vertiefen, um damit einerseits effizienter für den Gesamtmarkt produzieren zu können, andererseits aber auch, um faktisch unauflösliche Abhängigkeiten, vor allem gegenüber der Sowjet-Union zu erzeugen, weil die einstigen Einzelstaaten im Rahmen der Arbeitsteilung zu nicht mehr selbständig lebensfähigen „Regionen“ entwickelt werden sollten.

Noch ein Punkt, der nachdenklich macht: Brasilien ist sicherlich der stärkste Partner innerhalb der Mercosur-Gruppe, zugleich gehört Brasilien aber auch dem Verband der BRICS-Staaten an (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die vor nun fünf Jahren mit dem Projekt einer eigenen Entwicklungsbank und eines eigenen Währungsfonds große Aufmerksamkeit erregt haben, weil sie damit der Abhängigkeit der von den USA dominierten Institutionen Weltbank und IWF entrinnen wollten.

Das war zwar noch zu Zeiten Dilma Rousseffs in Brasilien, die 2016 einem Amtsenthebungsverfahren zum Opfer fiel, doch wird der seit 1. Januar 2019 amtierende Präsident Bolsonaro nach meiner Einschätzung im Zweifel seine „Heimat“ im Reigen der BRICS-Staaten sehen, während er Brasilien keineswegs als „EU-Binnenmarkt-Erweiterung“ begreift und von daher auch keine besonders herzliche Gefühle zur EU entwickeln wird, zumal ihm von daher ganz überwiegend harsche Kritik an seinen politischen Vorstellungen und Entscheidungen entgegenschlägt, die ja insgesamt näher bei Trump und Putin liegen, als bei Macron und Merkel.

Ein wirtschaftlicher Aufschwung Brasiliens, wie er durch Freihandelsabkommen mit der EU entstehen könnten, muss also nicht zwangsläufig dazu führen, dass die Devisen aus den Exporterlösen auch für Waren aus der EU wieder ausgegeben werden. China, Indien und auch Russland könnten dabei durchaus die lachenden Dritten sein.

 

23. November 2020

China

Zwei wichtige Entwicklungen sind aus China zu vermelden, die beide auf jener Trendlinie liegen, die ich seit Jahren beschreibe und immer wieder ein Stück weiter in die Zunkuft verlängere. 

Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) 

Viel Zeit haben sich die Medien hierzulande nicht genommen, um auf die diplomatische Meisterleistung der Chinesen einzugehen, denen es gelungen ist im pazifischen Raum eine der größten und wertvollsten Freihandelszonen der Welt zu errichten. 15 Staaten mit 2,2 Milliarden Einwohnern, in einem regional zusammenhängenden Gebiet, die schon heute zusammen 30% der Weltwirtschaftsleistung produzieren, haben sich zu einer Freihandelszone zusammengeschlossen. Zwischen Australien, Brunei, China, Indonesien, Japan, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Neuseeland, den Philippinen, Singapur, Südkorea, Thailand, und Vietnam werden Handelshemmnisse abgebaut und gemeinsame Regelwerke installiert.

Damit hat sich China in langen Verhandlungen (acht Jahre) vor der eigenen Haustür einen Binnenmarkt geschaffen, der als starker Puffer gegen jegliche weitere Handelsbeschränkungen aus den Reihen der USA und ihrer getreuen Vasallen wirken wird.

Dass es der westlichen Diplomatie nicht gelungen ist, wenigstens Australien, Japan, Neuseeland, Singapur, Thailand und Vietnam aus diesem Bündnis herauszuhalten, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Schwäche der USA, denen man offensichtlich nicht mehr zutraut, das für die eigene Sicherheit erforderliche wirtschaftliche und militärische Potential gegenüber China einsetzen zu können.

(Und das hat nichts mit Donald Trump oder Joe Biden zu tun. Hier geht es nicht um Figuren, sondern um die normative Kraft des Faktischen – und die Fakten setzt China.)

Doch damit nicht genug. Längst aus den Schlagzeilen, und damit praktisch vergessen, sind die vertraglichen Verflechtungen der BRICS-Staaten, also Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika, die schon vor sechs Jahren mit der „New Development Bank“ ihre gemeinsame Entwicklungsbank als Gegenstück zu Weltbank und Weltwährungsfonds gegründet haben.

Es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass den Mitgliedern der neu gegründeten Freihandelszone der Zugang zur New Development Bank offen stehen wird, und dass andererseits Brasilien, Russland, Indien und Südafrika in relativ kurzer Zeit, zumindest als assoziierte Mitglieder dem RCEP-Bündnis beitreten werden.

Das ist eine Verschiebung der tektonischen Platten der Politik, es ist die Zerstörung des Schachbretts Zbigniew Brzezinskis, es ist ein wirtschaftliches und machtpolitisches Erdbeben, wie es seit dem Untergang des Römischen Reiches nicht mehr gesehen wurde.

Diese Entwicklung ist allerdings keine Überraschung. Sie hat sich über die letzten dreißig Jahre hinweg, Schritt für Schritt, Zug um Zug angekündigt und manifestiert. Nun ist der Kipppunkt erreicht. China und sein Einflussbereich haben die USA, samt ihrem Appendix EU, eingeholt, wenn nicht gar schon überrundet. Kluge, langfristige Planung, hoch innovative Wirtschaft auf Basis weltweit führender Wissenschaftler, gepaart mit einem starken Willen, der lästige Hindernisse – Menschenrechte wie Menschen – aus dem Weg räumt, haben das neue Imperium geformt.

Es mag jeder für sich beurteilen, ob ihm Nachteile oder Vorteile daraus erwachsen werden. Es ist eine Etappe der Menschheitsgeschichte. Eine Nation, einst zutiefst gedemütigt von den Europäern, hat ihr Trauma überwunden und wird vermutlich mehr als die nächsten hundert Jahre das Leben auf diesem Planeten dominieren.

Und so drückt der chinesische National-Globalismus den Globalisten der Alten Welt wieder ein Stück mehr die Luft ab. Irgendwann wird man an der Wallstreet feststellen, dass es besser gewesen wäre, Trumps Gegenbewegung zu unterstützen.

Aber so ist es halt: Wer sich überfressen hat, wird träge, unvorsichtig und bleibt, trotz veränderter Bedingungen, unbeirrbar und starrsinnig bei seinen alten Rezepten.

Wie meinte Gorbatschow: Wer  zu spät kommt, den bestraft das Leben.

Mein guter Rat an alle unter sechzig: Lernen Sie Chinesisch!

Die zweite wichtige Nachricht aus China ist im Grunde nur der Nachhall einer zu Ende gegangenen Episode der technologischen Überlegenheit der USA.

Boeings Flieger, die 737 MAX, von der Experten sagen, dass die Struktur der Konstruktion, mit ihren viel zu weit vor den Flügeln hängenden Motoren, die nicht behebbare Ursache für den drohenden Strömungsabriss im Langsamflug sei, und dass die Steuerungssoftware – auch mit noch so vielen Sensoren – immer  wieder wird eingreifen und die Nase nach unten drücken müssen, hat nach anderthalb Jahren wieder die Erlaubnis zum Abheben erhalten.

Doch da gibt es eine bedeutsame Ausnahme. China hält am Flugverbot für die 737 MAX fest.

Eine schallende Ohrfeige für die USA.
Ein Souveränitäts-Signal aus Peking!

 

30. September 2021

AUKUS & Quad

Schwer zu glauben, dass „sleepy creepy Joe“ am Schmieden dieser Allianzen mehr Anteil hatte als die Queen am Inhalt ihrer alljährlich verlesenen Regierungserklärung.

Beide Bündnisse sind das Werk des militärisch-industriellen, kapitalgesteuerten Komplexes der USA, dem es schon lange egal ist, wer im Weißen Haus sitzt und welche Absichten verfolgt.

Trump hatte die Machtfrage gestellt und sie, solange er im Amt war, unter dem Strich auch für sich entschieden. Deshalb musste das Ergebnis der Auszählung der Stimmen der Präsidentschaftswahl so aussehen, wie es ausgesehen hat. Deshalb wurde das Ergebnis der Auszählung ebenso wenig einer ernsthaften Prüfung unterzogen, wie der Abschlussbericht zum Einsturz der drei Gebäude des World Trade Centers.

AUKUS steht für ein Mitte September geschlossenes Militärbündnis zwischen Australien, dem größten unsinkbaren Flugzeugträger der Welt, dem alten Seefahrer und Freibeuter-Imperium United Kingdom und dem wankenden Welthegemon USA, mit dem Ziel, gegenüber China ein extremes Drohpotential aufzubauen. AUKUS steht aber zugleich für die Torpedierung der Militärkooperationen zwischen Frankreich und Deutschland mit Australien, durch die USA und die aus der EU ausgeschiedenen Briten.

Was auch immer die Australier bewogen haben mag, die bestehende 56 Milliarden Dollar-U-Boot-Bestellung bei den Franzosen zu kündigen: Angestiftet dazu haben die USA, die nun anstelle der französischen, dieselgetriebenen U-Boote, solche mit Atomantrieb liefern werden.

Ein Affront im Großen, wie er nur Erdogans Bestellung von russischen Luftabwehrsystemen für den NATO-Staat Türkei im Kleinen vergleichbar ist, wobei eine Bestellung von US-Patriot Systemen dabei vorher nicht bestanden hat. (Erdogan hat übrigens kürzlich verkündet, dass er weitere S-400-Systeme bei Putin bestellen will.)

Die Mächte im AUKUS-Pakt beabsichtigen, den australischen Stützpunkt Darwin, wo bereits 2.500 US-Soldaten stationiert sind, im großen Stil auszubauen. Es sollen dort auch US-Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge mit hoher Kampfpräsenz stationiert werden, wobei auch streng geheime US-Waffensysteme dort stationiert, bzw. bereitgehalten werden sollen. Auch in Perth sollen US-Kriegsschiffe stationiert werden.

QUAD ist vollkommen anders als AUKUS konzipiert. Die vier beteiligten Staaten USA, Japan, Indien und Australien, wollen untereinander eine Art „Sicherheitsdialog“ führen, der weniger militärischen als vielmehr „friedenssichernden“ Charakter haben und auch dem wirtschaftlichen Austausch dienen soll.

Interessant ist, dass in diesem Bündnis die aufstrebende Großmacht Indien zu finden ist, die ja zugleich den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) und der SOZ (China, Russland, Pakistan, Kirgisistan, Tadschikistan, Usbekistan, Kasachstan) angehört. Wobei mit BRICS versucht wird, ein Gegengewicht zum Internationalen Währungsfonds und zur Weltbank zu schaffen und die SOZ (Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit) eher als asiatische Gegenstück zur NATO konzipiert ist. Es erweckt den Anschein, als wolle sich Indien mit der Teilnahme an Quad zumindest von China absetzen. Das mag einerseits einen Grund darin haben, dass Indien sich Chinas Hegemonial-Anspruch in Asien nicht unterwerfen mag, andererseits darin, dass Indien sich anschickt, die Rolle Chinas als Fabrik der Welt, anzugreifen und sich durch eigene, weltmarktfähige Produkte und Absatzstrategien Marktanteile zu sichern.

Für mich sieht es so aus, als handle es sich um eine zunächst freundschaftliche, später aber „fesselnde“ Umarmung Indiens durch die USA und Australien, mit dem Ziel, Indien vollends aus BRICS herauszubrechen und schleichend in die Kriegsallianz AUKUS einzubinden. Sicherlich sind sich die Inder dieser Tendenz bewusst, doch das Angebot der USA scheint von der Art zu sein, die man nicht ablehnen kann.

 

19. Januar 2022

Abbruch der Handelsbeziehungen

Die seit über 50 Jahren vom Westen beschworene Abhängigkeit Europas von russischen Gaslieferungen ist im Augenblick besonders hoch. Würde  Putin heute den Gashahn zudrehen, gingen in ganz Europa nach wenigen Tagen alle Lichter aus und wohl für sehr lange Zeit (Monate) nicht wieder an. Dies würde zugleich die Möglichkeiten, aus Europa heraus einen Feldzug gegen Russland zu führen, bis zur vollständigen Unmöglichkeit einschränken.

Dies wäre jedoch ein so unfreundlicher Akt, dass er einer offenen Kriegserklärung gleichkäme. Diese Härte ist allerdings gar nicht notwendig. Im Vertrauen auf die Fortsetzung des selbstmörderischen Dekarbonisierungskurses Deutschlands würde es vermutlich bereits ausreichen, wenn Gazprom bei den nächsten Verhandlungen über Liefermengen und Preise einerseits bekundete, nicht in der Lage zu sein, die gewünschten Mengen auch zu liefern und andererseits Preise fordern würde, die denen der am Spotmarkt geforderten nahekommen. Niemand würde erklären müssen, dass dies eine der angedrohten empfindlichen Maßnahmen sei. Es erklärt sich von selbst.

Es wäre auch ein Schritt, um dem immer wieder angedrohten Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungssystem SWIFT zuvorzukommen. Wo keine Rechnungen mehr zu begleichen sind, kann auch auf SWIFT verzichtet werden.

Die Einschränkung der Energieversorgung der EU durch Mengenbeschränkungen und einen starken Preissprung halte ich für ein sehr wahrscheinliches Szenario.

Das wäre kein Krieg, sondern schlicht und einfach ein Problem des internationalen Handels. Gas und andere Energierohstoffe sind knapp. Gerade die USA können es niemandem verwehren, es ihnen nachzutun und aus dieser Situation den größtmöglichen Gewinn zu schlagen.

Dieses Vorgehen würde keinen militärischen Gegenschlag rechtfertigen und sogar zu klammheimlicher Freude in den USA führen, weil die EU-Konkurrenten aufgrund des Mangels an preiswerter und verfügbarer Energie auf dem Weltmarkt kaum noch wettbewerbsfähig sein dürften.

Der damit sichtbar gemachte Interessenkonflikt zwischen den USA und der EU könnte wiederum die NATO stark belasten.

Bleibt die Frage offen, ob Russland auf weite Teile seiner Exporterlöse verzichten kann. Dazu ist es lohnend, die Veränderung des russischen Außenhandels in den letzten Jahren zu betrachten, sowohl was die Handelspartner betrifft, als auch im Blick auf die importierten Waren.

Es ist etwas schwierig, an die ganz aktuellen Zahlen heranzukommen. Fest steht aber, dass die Importabhängigkeit Russlands zurückgegangen ist. Eines der mächtigsten Zeichen dafür ist der russische Exportüberschuss. Für das Jahr 2019 sind russische Exporte in Höhe von 427 Milliarden US-Dollar verzeichnet, denen lediglich Importe in Höhe von 247 Milliarden Dollar gegenüber stehen. Ein Handelsbilanzüberschuss von 180 Milliarden Dollar, also Devisenreserven, die nicht zum Einkauf im Ausland genutzt werden, ist ein Zeichen von Stärke, selbst in jenen Bereichen, in denen der Handel durch westliche Sanktionen und russische Gegensanktionen erschwert oder unmöglich gemacht wurde.

Signifikant auch der Wechsel in der Rangreihe der Exporteure China und Deutschland. Stand Deutschland lange Zeit an Platz 1 der russischen Importe, ist China, mit 20 Prozent am russischen Import jetzt davongezogen. Deutschland ist auf 13 Prozent und damit Platz 2 zurückgefallen, auf dem dritten Platz steht Weißrussland mit 6 Prozent.

In den 12 Monaten von November 2020 bis Oktober 2021 exportierten alle EU-Länder zusammen Waren im Wert von knapp 87 Milliarden Euro, umgerechnet etwa 100 Milliarden Dollar nach Russland. Auf Deutschland dürften davon in etwa 32 Milliarden entfallen sein.

Das bedeutet, dass – grob geschätzt – nur etwas weniger als die Hälfte der russischen Importe mit westlichen Devisen bezahlt werden müssen.

Zugleich ist Russland dabei, massiv an einem Programm zur Importsubstitution zu arbeiten. Das ist Trumps „America first!“ auf russisch.

Die enge Kooperation mit China hat Russland auch bereits spürbar unabhängig vom Import westlicher Technologie gemacht.

Es scheint, als könnte Russland ohne größere Schmerzen auf die Einnahmen aus den Gasexporten in die EU verzichten. Das sind Devisen, die man natürlich nimmt, wenn sie angeboten werden, die aber nicht zwingend erforderlich sind, um den eigenen Import zu finanzieren. Die BRICS-Gemeinschaft basiert auf anderen Währungen und kann ohne den Rückgriff auf den US-Dollar oder den Euro miteinander Handel treiben.

 

14. März 2022

Das Elliptische Imperium

Als Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika vor rund 20 Jahren begannen, sich gegenseitig anzunähern, und der Begriff „BRICS-Staaten“, der ursprünglich vom Goldman Sachs Volkswirt Jim O’Neill geprägt wurde, um Ländergruppen mit ähnlichen Entwicklungschancen zu klassifizieren, zum Namen einer tatsächlich gegründeten Vereinigung geworden war, blieb die Welt zunächst skeptisch. Die Chancen für den langfristigen Zusammenhalt dieses Bündnisses wurden ebenso als gering eingeschätzt, wie ihre Fähigkeit, einen „gemeinsamen Markt“ von internationalem Einfluss zu schaffen.

Auch als diese Länder, spiegelbildlich zur Weltbank und zum Internationalen Währungsfonds, im Jahre 2013 eine eigene Entwicklungsbank sowie einen Währungsfonds gründeten und zugleich beschlossen im Außenhandel verstärkt ihre eigenen Währungen zu nutzen, wurde dem noch keine besondere Bedeutung beigemessen und praktisch nicht über daraus entstandene Aktivitäten berichtet.

Nun haben Russland und China kürzlich ihre Beziehungen mit einem neuerlichen Freundschaftsvertrag vertieft, was in der westlichen Presse wiederum nur mit einem Schulterzucken quittiert wurde. Doch der Westen ist nicht mehr „die Welt“. Viele Staaten schauen inzwischen auf die Beziehungen zwischen Russland und China und wägen ab, ob sie sich weiter dem Westen annähern oder sich doch lieber in Richtung auf ein neues Machtzentrum orientieren sollen.

Als die Vollversammlung der Vereinten Nationen am 3. März 2022 über eine Resolution gegen Russland wegen des Ukraine-Krieges abstimmte, war zwar in den Medien von einem „historischen Ergebnis“ die Rede, und von einer überwältigenden Mehrheit, doch hier nur Stimmen zu zählen, pro Staat eine, greift zu kurz. Interessant ist nach meiner Einschätzung vor allem die Zahl der Enthaltungen, also jener Staaten, die ein Zeichen setzen wollten, dass sie das russische Verhalten nicht für verurteilungswürdig halten. Das waren:

 

Algerien (43)                           Angola (32)                   Armenien (3)

Bangladesch (163)                Bolivien (12)                  Burundi (12)

Zentralafrik. Rep. (5)             China (1.434)                Kongo (5)

Kuba (11)                               El Salvador (6)              Indien (1.366)         

Iran (83)                                  Irak (39)                         Kasachstan (19)

Kirgisistan  (6)                         Laos (7)                         Madagaskar (27)

Mali (20)                                  Mongolei (3)                  Mosambik (30)

Namibia (2)                             Nicaragua (7)                Pakistan (217)

Senegal (16)                           Südafrika (59)               Süd-Sudan (11)

Sri Lanka (21)                         Sudan (43)                    Tadschikistan (9)

Ungarn (10)                            Tansania (58)               Vietnam (96)

Simbabwe (15)

Die Addition der in Klammern gesetzten Einwohnerzahlen dieser Staaten ergibt bereits die stolze Summe von 3,89 Milliarden Menschen.

Nimmt man noch jene Staaten dazu, welche die Resolution abgelehnt haben, nämlich

Weißrussland (9)                    Nordkorea (26)             Eritrea(3)
Russland (146)                       Syrien (17),

dann haben die politischen Vertreter von mehr als der Hälfte der Menschheit (4,091 Milliarden / 53 %) nicht für die Verurteilung Russlands gestimmt.

Dies bedeutet zunächst einmal nicht mehr, aber auch nicht weniger, als dass diese Staaten sich keinen Nutzen davon versprechen, mit den USA zu stimmen.

Dem gegenüber stehen jene Staaten, welche die Verurteilung wollten, und das sind die USA (329), die Briten (68), sowie die Staaten die in EU (447) und NATO (+Kanada 38, +Türkei 84) vereint sind. Insgesamt handelt es sich um die politischen Vertreter von 966 Millionen Menschen, was rund 12,5 Prozent der Weltbevölkerung entspricht.

Alle übrigen Staaten, die der Resolution zugestimmt haben, dürften sich entweder Vorteile davon versprochen haben, mit den USA zu stimmen, oder versucht haben, Nachteile zu vermeiden, die entstanden wären, hätten sie nicht mit den USA gestimmt. Dass unter diesen Ja-Stimmen solche gewesen sein könnten, die aus zutiefst pazifistischer Gesinnung jeden Krieg verurteilen, ist für mich nur schwer vorstellbar.

Soviel zu den Größenordnungen, bezogen auf das Menschenpotential. Dass Russland, China und Indien alleine – nach Schätzungen des IWF, Stand 2019 –  fast genauso viel zum Welt-BIP beigetragen haben, wie die USA, ist eine weitere wichtige Erkenntnis, wobei erläuternd erwähnt werden muss, dass der Anteil der produktiven Sektoren am BIP (Landwirtschaft + Industrie) in den USA bei 20 Prozent liegt, in China bei 45 Prozent und in Russland bei 36 Prozent. Der Rest verteilt sich jeweils auf die „Dienstleistungen“, wobei gerade in den USA die „Finanzdienstleistungen“ einen großen Anteil haben.

Militärisch betrachtet ist nach dem Kalten Krieg inzwischen eine neue Patt-Situation eingetreten. Allerdings mit drei Mitspielern, von denen jeder alleine keinem der anderen beiden so weit überlegen ist, dass ein Krieg ein kalkulierbares Risiko darstellen könnte, wohingegen jedes theoretisch mögliche Zweierbündnis ausreichen würde, um den Dritten mit Kriegs- beziehungsweise Vergeltungs-Drohungen zum gewünschten Verhalten, zumindest zum Stillhalten, zu bewegen.

Eines dieser Zweier-Bündnisse ist inzwischen Realität geworden. China und Russland sind von den USA mit militärischen Mitteln nicht mehr zu kontrollieren. Das hatte man im Pentagon sicher schon länger erkannt. Donald Trump war intellektuell in der Lage, diese Beurteilung zu übernehmen und hat versucht, einerseits Russland – zumindest rhetorisch – entgegen zu kommen und andererseits China mit einem Wirtschaftskrieg zu überziehen, um einen Keil zwischen China und Russland zu treiben.

Die Demokraten, in deren Denken für lange vier Jahre für nichts anderes Platz war, als nach Möglichkeiten zu suchen, Trump zu stürzen, haben das sanfte Tauwetter in der Beziehung zu Moskau genutzt, um Trump daraus einen Strick zu drehen, und sind, mit Joe Biden und Kamala Harris, unmittelbar nach dem Wahlsieg dazu übergegangen, eine neue Eiszeit in der Beziehung zu Russland auszurufen.

Man nennt so etwas ein Eigentor. Die Chance verspielt, den Rivalen China zu isolieren, mit Russland gebrochen und so beide in eine für die USA äußerst unangenehme Zusammenarbeit getrieben.

Das nächste Eigentor zappelt ebenfalls schon im Netz. Aufgrund der antirussischen Sanktionen haben sich die USA selbst von einem ihrer wichtigsten Energielieferanten abgeschnitten. Die Erklärung Bidens, die USA würden ab sofort weder Öl noch Gas aus Russland beziehen, kam jedoch erst, als man in Washington feststellte, dass die Lieferungen ausblieben, weil kein Tanker mehr russisches Öl oder Flüssiggas aufnehmen wollte, in Sorge, vom Bannstrahl der US-Sanktionen getroffen zu werden, ganz abgesehen davon, dass man den russischen Schiffen die Einfahrt in die Häfen der USA versagt hatte.

Dass sich nun auch Saudi-Arabien weigert, den USA mehr Öl zu liefern, haben sich Joe Biden & Co. ebenfalls selbst zuzuschreiben. Bleibt diese Situation bestehen, und gelingt es den USA auch nicht, aus dem mit Sanktionen niedergeknüppelten, und daher pro russisch eingestellten Venezuela ein paar Barrel Öl zu ergattern, dann wird sich Deutschland seine LNG-Terminals für US-Fracking-Gas wohl vergeblich bauen.

Das Elliptische Imperium nimmt Formen an, daran besteht kein Zweifel mehr. Noch sind die USA als Gegenspieler am Brett, doch ihre Situation ist keineswegs rosig.

Die große Frage ist: Wohin entwickelt sich das Spiel?

Es wird zunächst die wichtigste Aufgabe für Putin und Xi sein, den gegenseitigen Nutzen so weit zu mehren, und seine Grundlagen so fest im gegenseitigen Handeln zu festigen, dass deren Nachfolger – Putin ist 69 Jahre alt, Xi Jinping 68 – selbst bei weitgehender persönlicher Inkompetenz dieses Gebäude nicht mehr zerstören können. Das klingt einfach, kann aber gerade im Gerangel um die Macht in den höchsten Gremien schwierig werden, weil nicht sichergestellt ist, dass der selbst auserkorene Nachfolger es auch tatsächlich werden wird. Es sind die materiellen Strukturen, die gefestigt werden müssen, selbst wenn sie beiderseits auch als Abhängigkeiten empfunden werden.

Doch dazu braucht es ein gemeinsam erarbeitetes und getragenes Konzept, mit einem klar definierten, langfristigem Ziel, in dem alle innen-, außen- und wirtschaftspolitischen Bestrebungen der Gemeinschaft konzentriert zum Ausdruck kommen.

Daran wird, vermute ich, gearbeitet. Klar erkennbar ist es jedoch noch nicht. Zu den wichtigen Entscheidungen gehört es, Russlands Rolle zu definieren. Wird Russland primär Rohstofflieferant bleiben, während China die Veredelungsleistungen übernimmt?

Das wäre eine gute Basis für eine langanhaltende Beziehung, weil China mit dieser Konstellation keine Konkurrenz aus Russland fürchten müsste. Allerdings ziemlich unbefriedigend für Russland.

Günstiger wäre es, wenn China mit eigenen Fabriken und überwiegend russischem Personal in Russland für den russischen Markt produzieren würde, wobei sich ein Knowhow-Transfer von selbst einstellen würde.

Ein anderer Aspekt ist die militärische Zusammenarbeit, sowohl in der waffentechnischen Entwicklung und Produktion, als auch in der strategischen Planung und letztlich der Lozierung der strategischen Waffensysteme.

Wichtig, ja geradezu unerlässlich, die klassischen Instrumente der „Völkerverständigung“, also Jugendaustausch, Städtepartnerschaften, und, und, und, verbunden mit dem Erlernen der Sprachen, zweisprachige Fernsehsendungen und Internetkanäle, Einigung auf eine (glorreiche) gemeinsame geschichtliche Erzählung.

Alledem steht praktisch nichts im Wege.

Damit ist eine neue Spaltung der Welt in eine westliche und eine östliche Hemisphäre vorgezeichnet, wobei ein Teil der Bruchlinie immer noch an der Westgrenze Russlands zu finden sein wird, die sich dann an der  Türkei als letztem NATO-Mitglied vorbei schlängelt und fast alle Staaten Afrikas umfassen könnte, die ja heute schon mehrheitlich teils China, teils Russland zugewandt sind. Syrien, Saudi-Arabien, Irak, Iran würden dazugehören und über Pakistan und Indien gelänge dann auch von Westen her der Anschluss an China.

Inwieweit die jetzigen Partner in Südamerika – Brasilien, Venezuela, Bolivien, etc. – eingebunden bleiben könnten, ist fraglich. Ich nehme an, dass die USA alles tun werden, um den gesamten amerikanischen Kontinent unter ihre Kontrolle zu bringen, während sie sich aus Afrika und Asien zurückziehen.

Diese Entwicklungen werden viele Jahre und Jahrzehnte in Anspruch nehmen, während derer sich die beiden Herrschaftsgebiete strikt voneinander abschotten, was nicht nur den Handel zwischen beiden Einflusszonen vollständig zum Erliegen bringen, sondern auch das Ende aller „Welt“-Organisation der UN besiegeln wird.

Den Keim für diese neuerliche Zweiteilung der Welt haben die USA gelegt, die mit ihren feindseligen Aktivitäten, sowohl gegen Russland als auch gegen China, die beiden Nachbarn überzeugt haben dürften, dass es zweckmäßiger sei, sich zu verbünden als sich im Kleinkrieg divergierender Interessen permanent selbst zu schaden.

Was schon jetzt zu erkennen ist

In den USA nähert sich die Inflation inzwischen der 10 % Marke. Ende Februar, also noch vor Beginn des Ukraine-Krieges, wurden 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat festgestellt. Preistreiber waren wieder die Energiepreise, durchaus mit beeinflusst von der europäischen, Energiewende-bedingten Knappheit an Gas, die sich weltweit auswirkte. Aber auch die Folgen des fortwährenden Handelskrieges mit China und die Probleme mit den weltweiten Lieferketten wegen der Corona-Pandemie spielen dabei eine Rolle.

Die Beschwichtiger lassen nichts unversucht, die Inflation herunterzurechnen. So heißt es, man müsse die stark schwankenden Preise für Lebensmittel und Energie herausrechnen, dann zeige sich, dass die „Kerninflation“ nur bei 6,4 Prozent liege. Blödsinn!

Die Preise für Energie und in der Folge auch für Lebensmittel schwanken nicht stark, sie steigen stark, und dieser Trend wird sich so bald nicht umkehren.

Dies begünstigt die wachsenden sozialen Unruhen in den USA, die auch  im – von unseren Medien unterschlagenen – Aufstand der Trucker in den USA mit angetrieben werden. Ich setze dem Schweigen der Medien bewusst ein 3-Stunden-Video entgegen. Für alle, die sich die Zeit nicht nehmen können, hier eine kürzere Fassung in besserer Qualität. 

 

22. November 2022

USA – Saudi-Arabien

Da, wo einst die Wiege des Petro-Dollars stand, steht nun Kronprinz Mohammed bin Salman und verweigert der Biden Regierung die Gefolgschaft. Der Wunsch der USA, die Ölförderung zu erhöhen, um den Ölpreis zu senken, fand auch dann noch kein Gehör, als Joe Biden himself in Riad auftauchte und dort, vermutlich mit einer Mischung aus Drohgebärden und Belohnungsversprechen um mehr Öl bettelte. Es gibt ein Foto vom Treffen des ungleichen Paares, das Bände spricht. Ich habe lange damit zugebracht, Körpersprache und Mimik der beiden in mich aufzunehmen. Biden, schon optisch in die Ecke gedrängt, stirnrunzelnd, mit einem leicht spöttischen Mund und fragenden Augen, kann bin Salman offenbar überhaupt nicht einschätzen. Alles an ihm sagt: „Du willst doch bloß spielen, oder?“, und dabei ahnt er die Antwort bereits. Bin Salman hingegen breitspurig, offen, ganz und gar selbstbewusst, scheint sich ein bisschen darauf zu freuen, den mächtigsten Mann der Welt unverrichteter Dinge wieder nach Hause schicken zu können. Sein Blick sagt: „Was auch immer du bietest, womit auch immer du drohst: Hier und heute bin ich der Stärkere.“

Ein Teil dieser Pose der Überlegenheit mag auch darauf zurückzuführen sein, dass Saudi-Arabien zu jenen nordafrikanischen Staaten gehört, die beabsichtigen, der von China und Russland gegründeten BRICS-Gruppe beizutreten, der außerdem bereits Brasilien, Indien und Südafrika angehören. Ich habe in „EWK – Zur Lage“ des Öfteren auf die BRICS-Entwicklung hingewiesen und nun kommt neue Bewegung in diesen Zusammenschluss. Der Iran, Algerien und Saudi-Arabien bemühen sich um Aufnahme in diesen Club. Aus Südamerika will zudem auch Argentinien dazustoßen.

Alexander Männer hat für die Webseite EuroBRICS dazu einen lesenswerten Artikel geschrieben, in dem er zu folgendem Schluss kommt:

„Angesichts dessen weisen Experten darauf hin, dass ein Beitritt von Saudi-Arabien zu BRICS sich erheblich auf das geopolitische Gleichgewicht der Welt auswirken dürfte. Das Königreich, das als eine regionale Großmacht des Nahen Ostens gilt, ist der weltgrößte Erdölexporteur und übt in dieser Rolle bereits einen erheblichen Einfluss auf die globalen Energiemärkte aus. Gemeinsam mit Russland, dem weltgrößten Gasexporteur, mit dem Riad seine Ölproduktion koordiniert, könnten die Saudis das weltweite Angebot dieser beiden wichtigsten Rohstoffe zusätzlich noch stärker beeinflussen.“

Bei den düpierten US-Demokraten hat nun der Vorsitzende des Ausschusses für auswärtige Beziehungen im Senat, Bob Menendez, gefordert:

„Die Vereinigten Staaten müssen sofort alle Aspekte unserer Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien einfrieren. Einschließlich aller Waffenverkäufe und Sicherheitskooperationen, die über das hinausgehen, was absolut notwendig ist, um das Personal und die Interessen der USA zu verteidigen.“ 

USA – China

Das von Donald Trump in Gang gesetzte Programm „Make America
great again“, mit dem Abhängigkeiten, insbesondere von China, aber auch von der EU aufgelöst werden sollen, wird von der Biden-Administration fortgesetzt, ohne jedoch noch den Charme dessen aufzuweisen, was Trump als „Deal“ bezeichnete und eher spielerisch und am Pokertisch zu inszenieren versuchte. Stattdessen sieht sich Biden bereits im heißen Krieg mit China und hat daher vor wenigen Wochen jegliche Zusammenarbeit mit China im Bereich der Halbleitertechnologie verboten. US-Bürger, die in chinesischen Halbleiter-Unternehmen arbeiteten, wurden aufgefordert, in die USA zurückzukehren und sämtliche Brücken abzubrechen. Zudem dürfen viele Halbleitererzeugnisse nicht mehr nach China exportiert werden.

Es sieht für mich so aus, als sollte damit vor allem eine Lücke in den Chip-Embargos gegen Russland gestopft werden, das für seine modernsten Präzisionswaffen auf Chips angewiesen ist, die Russland selbst nicht herstellen kann. Darüber hinaus will man China aber auch selbst von der Weiterentwicklung der Halbleiterprodukte abschneiden.

Dass man damit China nur darin bestätigt, Taiwan, die Chipfabrik der Welt, endlich „heim ins Reich“ zu holen, und China veranlasst, gewaltige Anstrengungen zu unternehmen, technologisch aufzuholen, wird dabei in Washington vermutlich unterschätzt.

Es ist ja nicht so, dass die Chinesen nicht wüssten, wie man hochreine Wafer herstellt, wie man das Silizium belichtet und mit Fremdatomen dotiert, um die gewünschten Schaltungen herzustellen. Es geht im Grunde nur darum, den Vorsprung der USA in der weiteren Miniaturisierung aufzuholen. Niemand sollte daran zweifeln, dass China dies gelingen wird. Die Naturwissenschaftler, denen diese Aufgabe gestellt werden kann, sind ebenso vorhanden, wie die finanziellen Mittel – und am Willen fehlt es auch nicht. Womöglich lässt Xi sogar noch ein Parallelprojekt aufsetzen, mit dem Ziel, die letztlich doch bereits ausgequetschte Silizium-Technologie durch etwas vollständig Neues zu ersetzen.

Bei German Foreign Policy notiert man dazu, dass Washington erklärtermaßen darauf abzielt, Beijing niederzukonkurrieren und dabei Kollateralschäden in Milliardenhöhe für die US-Industrie in Kauf nimmt. Auch die deutsche Industrie könnte davon negativ betroffen sein, heißt es dort.

30. Mai 2023

Chinesisch-russische Kooperation

Ebenfalls schon im März besuchte Xi Jinping Wladimir Putin in Moskau. Ein Ereignis, das schon in der März-Ausgabe von „EWK-Zur Lage“ kurz erwähnt wurde. Hier nun noch einige Details zu den Ergebnissen dieses Treffens, das von Pepe Escobar als „Neuauflage der Konferenz von Jalta 1945“ und als neue Friedensordnung der Welt bezeichnet wurde.

Das hat natürlich bei der Frage der Beilegung des Ukraine-Konflikts begonnen. Russland erklärte, den chinesischen 12-Punkte Plan zu respektieren, werde aber von den Zielen der vollständigen Entmilitarisierung und der militärischen Neutralität der Ukraine nicht abrücken. Vor allem aber betonte das Außenministerium, dass die USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland von allen künftigen Ukraine-Verhandlungen ausgeschlossen bleiben werden, weil sie nicht mehr als neutrale Vermittler angesehen werden könnten.

In den bilateralen Beziehungen wird Russlands Rolle als größter Erdgaslieferant Chinas mit der Pipeline „Sila Sibiri 2“, die durch die Mongolei führen soll, noch einmal deutlich gestärkt. Die Zusammenarbeit in den Bereichen Erdgasverflüssigung, Flugzeugbau, Werkzeugmaschinenbau, Weltraumforschung, aber auch Agrarindustrie,  wird mit insgesamt 79 Gemeinschaftsprojekten im Umfang von umgerechnet 165 Milliarden US-Dollar massiv vorangetrieben.

Darüber hinaus wurde vereinbart, das in den Handelsbeziehungen beider Staaten mit den asiatischen, afrikanischen und lateinamerikanischen Staaten in nationalen Währungen abgerechnet werden solle, wobei der chinesische Yuan als primäre Handelswährung Verwendung finden soll.

Die Arbeiten zu Gestaltung einer neuen – gold- und rohstoffgedeckten – Reservewährung, werden unabhängig davon weiter vorangetrieben.

Pepe Escobar stellt die Ergebnisse dieses Treffens und vor allem seine historische Bedeutung in diesem Artikel ausführlicher dar.

Direkte Folge:

Wenige Tage nach dem Treffen in Moskau, einigten sich Brasilien und China darauf,  ihren Handel künftig in ihren eigenen Währungen, Yuan und Real abzuwickeln. Auch wenn ein Handelsvolumen von 150 Milliarden Dollar pro Jahr noch nicht einmal 20 Prozent des US-Verteidigungshaushalts ausmacht, handelt es sich dabei doch um ein weiteres Steinchen, dass aus der Dollarhegemonie herausgebrochen wird und es den USA erschwert, sich gegenüber dem Rest der Welt zu verschulden.

Direkte Reaktion: 

Am 18. April wurde die US-Finanzministerin Janet Yellen von CNN zur Lage des Dollars interviewt. Yellen hatte offenkundig Schwierigkeiten, auf die Frage der Entdollarisierung vernünftige Antworten zu geben, zumal bekanntgeworden war, dass die erste grenzüberschreitende Zahlung zwischen Brasilien und China über die Commercial Bank of China durchgeführt worden war.

Im nachstehend verlinkten Artikel wird mit Hinweis auf die VAE, den Irak und Mexico erwähnt, dass neben Brasilien auch andere bereits auf die Abrechnung in Yuan umgestellt haben und sich damit zu neuen Handelsblöcken zusammenschließen, was ihnen Sicherheit gibt, dass der Dollar nicht mehr als Waffe gegen sie eingesetzt werden kann.

Yellen selbst erklärte, dass die „Bewaffnung des Dollars“ erheblich zu dieser Entwicklung beigetragen habe.

Hier der Link zu Simplicius auf Substack.com (engl.). Die Übersetzung per DeepL lohnt sich.

Die Lawine kommt ins Rollen:

Wenn sich Ende dieser Woche (2. Und 3. Juni 23) die BRICS-Staaten in Südafrika treffen, stehen (Stand 25.04) 19 Staaten mit ihren Aufnahmeanträgen vor der Tür, wobei es heißt, dass täglich neue Bitten um Mitgliedschaft im Club von Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika gestellt werden.

Bekannt geworden sind bisher folgende Beitrittskandidaten: Saudi-Arabien,  Iran, Argentinien, Vereinigte Arabische Emirate, Algerien, Ägypten, Bahrain und Indonesien.

Zu Zeiten des Kalten Krieges und der festgefügten Blöcke hätten die USA jedem einzelnen Staat, der sich aus dem westlichen Block entfernen wollte,  mit diplomatischen,  wirtschaftlichen und militärischen Mitteln diesen Weg verbaut. Anzunehmen, die USA hätten inzwischen eingesehen, dass jedem souveränen Staat das Recht zusteht, sich seine Verbündeten selbst auszusuchen, wäre naiv. Was wir hier und heute live miterleben, ist eine Entwicklung, der die USA nichts mehr entgegenzusetzen haben. Dabei fehlt es m.E. nicht so sehr an den Machtinstrumenten als vielmehr an der Strategie, was wiederum auf einen Mangel an strategisch denkenden Köpfen im Department of State und im Pentagon hindeutet, oder darauf, dass sich die Protagonisten unterschiedlicher Zielsetzungen gegenseitig paralysieren, wobei Letzteres wiederum ein Hinweis auf die Führungsschwäche Bidens wäre.

Fakt ist jedoch: Die USA sind offenbar unfähig, dem Zusammenwachsen eines neuen, und  in jeder Hinsicht quantitativ gigantischen Machtblocks anders als mit staunendem Zusehen zu begegnen.

Mit der Bahn von Mumbay nach St. Petersburg

Man darf sich, wenn man Eisenbahn hört, nicht am Desaster „Bundesbahn“ orientieren, sondern sich daran erinnern, wie die Eisenbahn als eine der wichtigsten Innovationen der Neuzeit zu einem Treiber von Wachstum und Fortschritt geworden ist und –  zum Beispiel in den USA –  mit der Verkehrserschließung weiter Landesteile auch deren Zusammenwachsen zur politischen und wirtschaftlichen Einheit  gefördert hat.

Nun wird in Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Iran eine Lücke im Schienennetz der transkaspischen Eisenbahn geschlossen, welche den durchgängigen Bahnverkehr zwischen Indien und Russland ermöglicht und damit eine Konkurrenz zu den bisher genutzten Seewegen herstellt. Das entsprechende Abkommen zum Bau der Strecke zwischen den iranischen Städten Ramscht und Astara wurde am 17. Mai in Teheran unterzeichnet.

Damit verkürzen sich die Transportwege für die Gesamtstrecke, nicht nur von bisher vier bis sechs Wochen auf nur noch 10 Tage, es werden auch die im Krisenfall problematischen Engpässe des Seewegs, Suez-Kanal und Bosporus auf dem Landweg umgangen.

 

31. Juli 2023

Nachdem der US Außenminister Antony Blinken seit März 2023 betont, Friedensverhandlungen und damit einhergehender Verzicht auf Teile des Territoriums seien einzig Angelegenheit der Ukraine, stehen die Chancen, einen derartigen Vorschlag durchzubringen, ganz gut. Der Spiegel berichtete:

Der Außenminister (Blinken) gehe davon aus, dass es Gebiete in der Ukraine gebe, um die die Ukrainer:innen auf jeden Fall fest entschlossen kämpfen würden. „Und eventuell gibt es Gebiete, bei denen sie beschließen, dass sie versuchen wollen, sie auf anderen Wegen wiederzuerlangen.“

Seit der Ansage Blinkens sind wieder vier Monate ins Land gegangen, und diese vier Monate haben gezeigt, dass auch die zweite gegen Russland errichtete Front, die Front des Handelskrieges und der Sanktionen, keine Entlastung für die Ukraine gebracht hat und weiterhin nicht bringen wird.

Russlands BIP wird nach der Prognose des IWF und der Weltbank in 2023 und 2024 wieder wachsen und die sanktionsbedingte Delle aus dem Jahr 2022 damit in etwa ausgleichen. Zu verdanken hat Russland dies seinen guten Beziehungen zu vielen Staaten und der negativen Bewertung der USA durch viele weitere Staaten. Von rund 190 Staaten dieser Welt tragen nur 40 die westlichen Sanktionen gegen Russland mit.

Als Gründungsmitglied der BRICS-Staaten kann Russland höchst zufrieden damit sein, dass inzwischen gut 40 Staaten in diesen Bund aufgenommen werden wollen. Worüber vom 22. bis 24. August bei der BRICS-Konferenz in Südafrika gesprochen werden wird. Besonders interessant: Anfang Juni hat der französische Präsident Macron den südafrikanischen Präsidenten um eine Einladung zu dem Gipfel gebeten. Südafrika als Veranstalter hat inzwischen die Einladung an insgesamt 70 Staaten versandt, Frankreich und Macron waren nicht darunter.

Man könnte geneigt sein, dies als Retourkutsche dafür zu sehen, dass Präsident Putin seine Teilnahme am Gipfel absagen musste, um Südafrika nicht in die Verlegenheit zu bringen, ihn festnehmen zu müssen, wozu die Südafrikaner aufgrund eines Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs verpflichtet wären.

Auch sonst läuft für Russland vieles richtig gut. Still und heimlich sind beliebte westliche Markenartikel nach anfänglichem Russland-Boykott wieder in Russland vertreten. Die Läden gehören nun ausländischen Dritten oder Russen, die Markenbezeichnungen wurden zum Teil verändert, so heißt zum Beispiel „Zara“ inzwischen „MAAG“, aber die nur vorübergehend aufgegeben Geschäfte der westlichen Konzerne laufen wieder weiter.

Die schlechte Nachricht für Russland:

Ohne die Zusammenhänge näher zu beleuchten, berichtet man bei „Business-Insider“ über die katastrophalen Kapitalabflüsse aus Russland. Russland habe im Jahr 2022 Nettokapitalabflüsse im Umfang von 239 Milliarden US-Dollar zu verzeichnen gehabt.

Wenn fast gleichzeitig über die Kapitalabflüsse aus Deutschland berichtet wird, die sich mit über 130 Milliarden Dollar auf ungefähr die Hälfte der russischen Kapitalabflüsse belaufen haben, dann wird wenigstens angemerkt, dass es sich dabei um Auslandsinvestitionen Deutschlands gehandelt habe, und dass es im Gegenzug nur 10 Milliarden Investitionen des Auslands in Deutschland gegeben habe.

Nun, im Kleingedruckten berichtet der Business-Insider:

Bei den Geldabflüssen aus Russland handelt es sich nicht nur um Geld, das aus dem Land transferiert wird. Sie würden auch Investitionen im Ausland umfassen.

Allerdings hört man aus Russland nicht, wie aus Deutschland, dass die Investitionsbedingungen wegen zu hoher Energiekosten und überbordender Bürokratie so schlecht seien, das anlagesuchendes Geld sein Glück im Ausland sucht.

Es sieht eher so aus, dass russische Investoren günstige Gewinnchancen im Ausland wahrnehmen, ohne dass deshalb das Menetekel der Deindustrialisierung Russlands an der Wand erschiene. Es sieht außerdem so aus, dass es im Interesse Russlands liegt, wenn durch Investoren im befreundeten Ausland auch eine engere politische Bindung hergestellt wird. Last but not least: Auch die erwähnten Verkäufe westlicher Markengeschäfte an russische Geschäftsleute spielt hier eine paradoxe Rolle, weil dabei nämlich klassische Inlandsinvestitionen mit Kapitalabflüssen einhergehen.

Darüber hinaus sieht es so aus, dass die russische Zentralbank kein übergeordnetes Interesse daran hat, westliche Währungen, wie Dollar  oder Euro in Reserve zu halten.

Wenn dann noch in Betracht gezogen wird – auch das erwähnt der Business-Insider, ohne eine Beziehung herzustellen – dass Russlands Leistungsbilanz-Überschuss, bei uns hieß das früher gemeinhin „Export-Überschuss“ im Jahr der großen Kapitalabflüsse ein Rekordhoch von 227 Milliarden Dollar erreichte, dass also im Grunde aus dem Exportüberschuss massiv Kapital nach Russland zurück strömte, wird aus der schlechten Nachricht schon eher wieder eine gute.

Russland verstärkt seinen Einfluss überall da auf der Welt, wo prowestliche Regierungen dies nicht zu verhindern versuchen und sortiert dabei seine Devisenreserven so um, dass die nach wie vor drohende Finanzkrise des Dollar-Imperiums im Reich von Rubel und Yuan möglichst wenig Schaden anrichten kann.

 

26. November 2023

USA 

Die USA befinden sich – wieder einmal oder immer noch – im Schmutzwahlkampf gegen Donald Trump und gegen Joe Biden. Die Skala der Möglichkeiten wird nur noch am äußersten Ende genutzt, wo zwischen Skandal-Anklagen und Amtsenthebungsverfahren wieder einmal keine Chance mehr zu bestehen scheint, den Regierungs-Lockdown wegen Überschreitens der Schuldenobergrenze zu verhindern. Alles in allem ein erbärmliches Schauspiel einer Demokratie, die auf das Niveau römischer Zirkusdarbietungen abgesunken ist, obwohl die fiesen Tricks, mit denen da gekämpft wird, die Massen bereits so abgestumpft haben, dass über dem blutrünstigen Gejohle die Inhalte nicht einmal mehr eine nebensächliche Rolle spielen.

Ich erachte diese Situation für ausgesprochen gefährlich. Washington ist  vom einstigen Machtzentrum der Welt, in dem die Präsidenten als Frontmänner noch im Einklang mit den von ihnen vertretenen Interessen standen und folglich glaubhaft ihre Linie verfolgten, auf der Vorderbühne zu einem gigantischen Machtvakuum verkommen, während das Treiben hinter den Kulissen einen kräftezehrenden Zick-Zack-Kurs hervorbringt, der bisweilen hilflos anmutet.

Kann man gleichzeitig – vorgeblich aus Umweltschutzgründen – den Bau wichtiger, für die Eigenversorgung notwendiger Pipelines ebenso verbieten, wie die Erschließung neuer Offshore Ölfelder, aber mit aller Macht Fracking Gas aus der Erde holen, um sich am Energiehunger der EU goldene Nasen zu verdienen?

Kann man maximale Anreize für die Industrieansiedlung setzen und gleichzeitig mit heftigen Zinserhöhungen die Inflation bekämpfen?

Preiswerte Energie bleibt zwar dennoch ein Pfund, mit dem gewuchert werden kann, doch ist das mit der Energie längst nicht mehr in allen Bundesstaaten so einfach. Kalifornien, das Musterland der Energiewende in den USA, macht jetzt damit von sich reden, dass die Laufzeit für das letzte AKW „Diablo Canyon“ vorerst um fünf Jahre bis 2030 verlängert wird. Trotz der vielen Solar- und Windparks, trotz gigantischer Batteriespeicher: Die wechselnden Witterungsverhältnisse lassen es nicht zu, eine zuverlässige, ohne fossile Brennstoffe auskommende Stromversorgung zu sichern. Egal ob im Winter, wenn Schneestürme toben, oder im Sommer, wenn wegen der Hitze die Stauseen leer- und die Klimaanlagen auf Volllast laufen – irgendwie ist immer Not am Mann, und die Meldungen über die Zahl der Haushalte, die gerade wieder vom Stromnetz getrennt sind, reißen nicht ab.

Und hier ein paar ungeliebte Wahrheiten über das Schicksal von Windparks, die zwar schon ein paar Jahre alt sind, aber dennoch zu denken geben sollten.

Auch außenpolitisch markieren starke Worte zwar den Willen, die weltbeherrschende Ordnungsmacht zu bleiben, die die USA nach der Auflösung der Sowjet-Union für ein paar Jahre zu sein schienen, doch ist es um die Substanz eher schlecht bestellt. Wo sind noch Ansätze zu erkennen, die Angriffe der schnell wachsenden BRICS-Gemeinschaft auf die Dollar-Hegemonie im Welthandel zu brechen? Ja, Trump warnt. Aber mehr ist da nicht zu erkennen.

Auch die vermeintliche Entschlossenheit, sich auf einen Krieg gegen China einzulassen, sollte China ernst machen und sich Taiwan einverleiben, wirkt vor dem Schauspiel der peinlich-feigen Rolle der USA im Ukraine-Konflikt ausgesprochen unglaubwürdig.

Natürlich wäre es nur dann wirklich feige, wenn dem vorsichtigen Agieren im Versuch, die Ukraine zu gewinnen, ohne das Risiko eines großen Krieges einzugehen, die starken Worte gegenübergestellt werden, mit denen suggeriert wird, die Ukraine könne und müsse die Russen in die Knie zwingen. Nüchtern betrachtet ist die Unterstützung der Ukraine nicht mehr als ein vorsichtiges Abtasten eines Gegners unter Wahrung der Möglichkeit, sich jederzeit vollständig wieder aus der Affäre zu ziehen.

Den USA fehlt eine glaubhafte Führung.

… und wenn es sich nur um einen erfahrenen Insolvenzverwalter handeln sollte, der Ordnung schafft, Überflüssiges abstößt, um einen gesunden, überlebensfähigen Kern herauszuschälen, und die Gläubiger im Vertrauen auf eine neue Ertragskraft ruhigstellt, es wäre besser.

Ergänzend dazu gehört auch diese Anmerkung von Telepolis:

„Der technische Fortschritt lässt sich durch Sanktionen nicht aufhalten. Nordkorea entwickelt moderne Raketen, der Iran treibt sein Atomprogramm voran – und China entwickelt modernste Chips. In Washington war man wenig erfreut, als Huawei sein neues Mobiltelefon Mate 60 Pro vorstellte. Das Besondere am Mate 60 Pro ist sein Herzstück, der Chip Kirin 9000s. Er wird mit der fortschrittlichen 7-Nanometer-Technologie (nm) hergestellt. Es ist eine Technologie, die China nach dem Willen der US-Regierung eigentlich nicht haben sollte. In Washington hatte man in den vergangenen Jahren die Sanktionen verschärft, um den Chinesen den Zugang dazu zu verwehren.“ 

China 

Irgendwie stimmt etwas nicht mehr mit dem chinesischen Geschäftsmodell. Die Zeiten der Ausbeutung der Arbeitskraft der eigenen Bevölkerung, um mit konkurrenzlos niedrigen Preisen allmählich den Weltmarkt zu dominieren und dabei Stufe für Stufe von den einfachsten Produkten zu den anspruchsvolleren aufzusteigen, um am Ende in einigen Bereichen tatsächlich Technologieführer zu werden, sind zwar noch nicht zu Ende, jedoch mehren sich die Fälle, in denen sich das Prinzip nicht mehr wiederholen lässt, und wo es doch versucht wird, auf eine Krise zutreibt.

Es hat auch etwas damit zu tun, dass die Anstrengungen, die eigene Bevölkerung vermehrt am Ertrag ihrer Arbeit teilhaben zu lassen, den Unterschied zwischen Außenhandel und Binnenmarkt haben deutlich werden lassen. Im Gegensatz zum Außenhandel, der Kaufkraft anderer Volkswirtschaften abschöpft, muss der Binnenmarkt sich aus der Kaufkraft der eigenen Bevölkerung am Leben erhalten, da stellen niedrige Löhne ein nicht zu unterschätzendes Hindernis dar.

Das erste und größte Fiasko entstand bei dem Versuch, den typisch binnenwirtschaftlichen Wohnungsbau anzukurbeln. Das braucht zunächst einmal Kredite, dann einen langen Atem, und dann entweder Käufer oder Mieter. Der chinesische Bauboom kann inzwischen „sprichwörtlich“ genannt werden, die daraus entstandene Immobilienblase ebenfalls. Dies nur knapp angerissen zur Erinnerung und zur Überleitung auf die nächste, aus den gleichen Motiven entstandene Blase, nämlich die Blase der E-Mobile.

Dirk Maxeiner hat dazu bei Achgut einen bemerkenswerten Artikel veröffentlicht, den ich Ihnen – mit ein paar knappen Aussagen daraus – zum Lesen empfehle.

  • Umgerechnet 25 Milliarden Euro hat die KPChina an Subventionen für die Förderung der E-Mobilität ausgeworfen.
  • Rund 100 Neugründungen entstanden und produzierten E-Mobile.
  • Trotz der Förderung und trotz der günstigen Arbeits- und Energiekosten, überstiegen die Herstellkosten die erzielbaren Verkaufspreise deutlich.
  • 40 der 100 Neugründungen sind bereits wieder vom Markt verschwunden, die übriggebliebenen suchen dringend nach neuen Investoren.
  • Es hapert sowohl an der Ladeinfrastruktur, auch weil kaum ein Chinese im Eigenheim mit Wallbox wohnt, als auch an der Qualität der Autos.
  • Produziert wird dennoch fleißig weiter, was überall in Wald und Flur riesige Halden unverkaufter Neuwagen anwachsen lässt.

Hier treffen sich dann übrigens auch Immobilien- und E-Auto-Blase als verruchte Interessengemeinschaft: Halbfertige Hochhäuser, die wegen der Immobilienblase nicht fertiggestellt werden, dienen in zwischen – von der zweiten Etage aufwärts – als Abstellplatz für unverkäufliche E-Mobile.

Dies alles  ist allerdings bei Weitem nicht so schlimm, wie es in den Augen westlich-kapitalistischer Kommentatoren aussehen mag. Die Partei ist durchaus in der Lage, alle diese Blasen mit Hilfe der Bank of China auszubügeln. Es ist nicht die Sache von Leistung, nicht die Sache von Geld, sondern nur die Sache von einfachen Buchungen, die allerdings von allerhöchster Stelle abgesegnet sein müssen.

Dass dabei auch einmal ein Wohnungsbauriese wie Evergrande in die Insolvenz rutscht, gehört zum Lern- und Erfahrungsprozes, in dem nach einer Vereinigung kommunistischer Ideologie mit kapitalistischer Wirtschaftswese gesucht wird. Die Lehre, dass man den Binnenmarkt nicht überhitzen darf, auch nicht mit besten Absichten der Wohlstandsmehrung der Bevölkerung, dürfte in zwischen angekommen sein.

 

31. Mai 2024

China – Taiwan

Die Betrachtung zu der von der VR China angestrebten Wiedervereinigung mit Taiwan, früher Formosa, müssen mit der deutschen Bundeswehr beginnen.

Da gibt es nicht nur Verbände, die im Baltikum stehen und die Russen aufhalten sollen, es gibt nicht nur Offiziere, die sich über die Zerstörung der Krimbrücke Gedanken machen, es gibt auch einen schönen, neuen Begriff für die Landesverteidigung weit hinter dem Hindukusch, nämlich: „Indo-Pacific Deployment“. Bei German-Foreign-Policy hat man dafür diese Formulierung gewählt: „Berlin entsendet mehr als 30 Militärflugzeuge und zwei Kriegsschiffe in die Asien-Pazifik-Region, verstärkt parallel zum Aufmarsch gegen Russland seine Beteiligung am Aufmarsch gegen China.

Was soll das? Will der Wertewesten mit Taiwan eine zweite Ukraine schaffen? Nur zu dem Zweck, China in einen Abnutzungskrieg zu verwickeln an dessen Ende der glorreiche Einmarsch von US-Truppen erfolgt?

Sicherlich: Taiwan ist die Chipfabrik der Welt. Doch zu glauben, diese Produktionskapazitäten könnten in einem heißen Krieg gegen China geschützt werden, ist doch ziemlich verwegen. Käme es jedoch ohne Krieg zur angestrebten Vereinigung, blieben chinesische Chips höchstwahrscheinlich in hoher Qualität und ausreichender Quantität am Markt.

Da der Verlust dieser Kapazitäten anscheinend in Kauf genommen wird, ist klar, dass dies nicht das Ziel des Aufmarsches gegen China sein kann.

Taiwan ist von übergeordnetem geostrategischen Interesse. Taiwan ist der große, unsinkbare Flugzeugträger der USA vor der Küste Chinas. Eine solche Position kann man nicht aufgeben, schon gar nicht kampflos.

Von hier aus führt ein direkter Weg zurück zu Netanjahu. Der ist – zumindest ein bisschen – darauf angewiesen, dass Schiffe, die durchs Rote Meer von oder nach Israel unterwegs sind, auch unbeschädigt durchkommen. Die EU hat daher die Mission „Aspides“ auf den Weg gebracht. Kriegsschiffe aus EU-Staaten sollen die Handelsschiffe beschützen. Doch, wie so oft, klingt so eine Idee besser als sie in der Ausführung aussieht. Vasileios Gryparis, der Kommandeur von Aspides, hat nicht die nötige Anzahl von Schiffen. Zehn bräuchte er, um den Auftrag zu erfüllen, aber nur drei stehen ihm zur Verfügung. Da  hat wohl der Aufmarsch gegen China die höhere Priorität …

Was dabei nur selten im Blickfeld der Öffentlichkeit auftaucht:

Taiwan ist kein Staat. Jedenfalls kein völkerrechtlich anerkannter. Taiwan ist nicht bei den Vereinten Nationen vertreten. Alle 27 EU-Mitglieder verfolgen die 1-China-Politik, erkennen Taiwan also nicht an.

Daraus folgt im Umkehrschluss, dass alle Bemühungen Chinas, Taiwan auch faktisch in die Volksrepublik einzugliedern, nur als absolut legitim angesehen werden können, was wiederum bedeutet, dass alle militärischen Muskelspiele der USA und ihrer Vasallen in der Straße von Taiwan nicht zum Schutz Taiwans zelebriert werden, sondern lediglich der Provokation der VR China dienen.

 

China – Russland – Iran – BRICS 

Die Pläne zur Schaffung einer neuen, gemeinsamen Währung nehmen Fahrt auf. Insbesondere der Iran soll zur Eile drängen. Es ist hier schwer zu unterscheiden zwischen dem Wunsch über ein eigenes, von den USA unabhängiges Zahlungssystem zu verfügen, und dem Wunsch, den USA durch die weitere Entdollarisierung des Welthandels zu schaden. Russland verkauft Öl und Gas ja schon länger nur noch gegen Rubel. Zwischen den BRICS-Staaten wird an vielen Stellen bereits in den jeweiligen Landeswährungen fakturiert. China ist zudem dabei, sich in großen Tranchen von Dollar-Anleihen zu trennen und sich stattdessen mit Gold einzudecken.

Die Frankfurter Rundschau hat der Thematik einen ausführlichen Artikel gewidmet, dem es zwar in Bezug auf das westliche Dollar-Finanzgebaren an jeglicher Selbstkritik fehlt, der jedoch gleichzeitig aufzeigt, wie schwer der Dollar-Westen von der Existenz einer globalen Konkurrenzwährung getroffen würde.

Das Dollar-System ist kein Kreislauf, sondern ein Strom von einer Quelle, wo die Milliarden aus dem Nichts geschaffen werden, in mehrere große und kleine Senken aus denen sich der Dollar nicht mehr befreien kann.

Es ist „Gepflogenheit“, dass der Welthandel weitgehend in der Leitwährung Dollar abgewickelt wird. Das macht es für alle international aktiven Unternehmen erforderlich, sich mit erheblichen Mengen an US-Dollar einzudecken. Dies erfolgt durch Exporte (nicht nur in die USA) die in Dollar fakturiert werden.

Dadurch, dass sich die USA Jahr für Jahr in ganz erheblichem Maße neu verschulden, kommen die Dollar-Milliarden in die Welt und fließen über die Importe aus dem Land. In den Volkswirtschaften, die dabei einen Dollar-Überschuss erwirtschaften, also z.B. in den Ölstaaten am Golf oder seit geraumer Zeit in China, werden diese Überschüsse genutzt, um US-Staatsanleihen zu kaufen.

Das Prinzip, beispielhaft auf den Punkt gebracht:

  • Die USA „drucken“ 1 Milliarde US$
  • Deutschland exportiert Waren im Wert von 1 Milliarde US$ in die USA
  • Deutschland importiert für 1 Milliarde Dollar Öl aus Saudi-Arabien
  • Saudi-Arabien erwirbt für eine Milliarde US$ US-Staatsanleihen

Deutschland in der Mitte sieht dabei immer noch gut aus. Es hat reale Ware geliefert und reale Ware (Öl) erhalten.

Saudi-Arabien hat reale Ware (Öl) geliefert, aber nur bedrucktes Papier mit niedrigem Brennwert erhalten.

Die USA haben nichts geliefert, aber reale Ware gegen bedrucktes Papier erhalten.

Das „war“ ein ziemlich cleveres Geschäftsmodell und Vermutungen, wer alles sterben musste, um dieses Geschäftsmodell zu retten, gibt es viele, angefangen bei John F. Kennedy bis hin zu Muammar al-Gaddafi.

Sollte dieses Geschäftsmodell nicht mehr tragen, weil die Nachfrage nach Dollar im internationalen Zahlungsverkehr unter ein gewisses Mindestvolumen sinkt, das ausreicht, den Dollar zu stützen, wird der Dollarkurs erdrutschartig abstürzen. Allerdings können die Dollargläubiger, also jene Staaten, die große Devisenreserven in Dollar halten, daran nicht wirklich interessiert sein, weil sie damit schließlich ihr eigenes Vermögen zerstören.

Doch hier setzt nun ein neues Kalkül ein. Schuld daran sind die USA selbst, indem sie das Einfrieren von Dollarguthaben als Werkzeug in ihren Sanktionsbaukasten übernommen haben. Und nicht nur das. Mit dem „Diebstahl“ von Dollarguthaben und der Überweisung an die Ukraine haben sie das Vertrauen in die USA und den Dollar in allen Staaten, die nicht als US-Vasallen den Verfall der Werte der wertebasierten Ordnung stoisch ertragen, massiv untergraben.

Die Frage, ob man seine Dollarbestände als Waffe einsetzen sollte, bevor sie dem eigenen Zugriff entzogen werden, schreit von der Logik her nach einem JA, denn die Alternative heißt: Geld verlieren und den Hegemon dabei schädigen oder einfach nur Geld verlieren?

Es genügt doch, China zu bezichtigen, Russland im Ukraine-Krieg zu unterstützen, um einen Vorwand  zu haben, chinesische Guthaben zu sperren.

Zahlen sind problematisch. China meldet derzeit offiziell Devisenreserven von gut 3 Billionen Dollar. Experten schätzen, dass damit nur etwa die Hälfte der tatsächlichen Dollar-Reserven ausgewiesen werden, weitere drei Billionen hätten die Chinesen außerhalb der Zentralbankdaten „versteckt“.

Wer bei Google nach „China Dollar Verkäufe“ sucht, erhält eine Fülle von Fundstellen, die zusammengenommen das Bild ergeben, dass China laufend, Monat für Monat, mindestens zweistellige Dollarbeträge an den Spotmärkten abstößt. Westliche Auguren sehen darin – offenbar nach einem Blick ins Lehrbuch – den Versuch, den YUAN zu stützen.

Ich gehe davon aus, dass der Blick ins Lehrbuch hier den Blick auf die Realität verstellt.

Ziel des Prozesses ist es m.E. sehr viel mehr, vorsorglich die Dollarbestände abzubauen, solange noch über die gehorteten Exporterlöse verfügt werden kann und die Schwächung des Dollars durch den langsamen, allmählichen Abbau der toxischen Währung unter geringen eigenen Verlusten herbeizuführen.


Zusammengenommen hat die BRICS-Thematik in den letzten zehn Jahren nicht mehr als vielleicht 2 bis 3 Prozent des Inhalts der „EWK – Zur Lage“ Ausgaben gefüllt. Dass die nachträgliche Zusammenstellung im heutigen Tageskommentar so massiv wirkt, liegt unter anderem daran, dass ich in -„EWK – Zur Lage“ stets versuche, sehr kompakt zu formulieren, also in knappen Sätzen möglichst viel Information zu transportieren. Selbstverständlich beschäftige ich mich darin auch mit den wichtigen anderen weltpolitischen Ereignissen, werfe stets einen kritischen Blick auf das Europa der EU, und beobachte auch genau, in welche Richtung die deutsche Entwicklung geht.

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