Belastungsgrenze erreicht? Ihr werdet euch noch wundern …

Die „Belastungsgrenze“ hätte als Unwort des Jahres weit mehr Berechtigung gehabt als das andere B-Wort, das dann gewählt wurde.

Ein Blick in die Medien lässt die Überzeugung heranreifen, Deutschlands Staatsgrenze sei die Belastungsgrenze, die wahrlich überall zu finden ist, selbst da, wo sie niemand erwartet hätte: Sehen Sie sich das an. Google, heute Morgen, die erste Seite der Suchergebnisse zu „Belastungsgrenze“.

An der Belastungsgrenze befinden sich

  • Gesetzlich Versicherte mit den Zuzahlungen
  • Kommunen mit ihren Aufgaben
  • Verlage und Buchhandel mit der Logistik
  • Die Natur mit dem Stickstoff
  • Die Stromversorger mit dem Stromhunger der KI
  • Die Beschäftigten mit den Lebenshaltungskosten
  • Die Schneekanonen mit dem Schneebedarf
  • Die Tennisspieler mit der Spieldauer
  • usw.

Was sind das bloß für Weicheier!

Tennisspieler, die nach gut fünf Stunden auf dem Platz von der Belastungsgrenze schwafeln, aber nach dem Duschen wieder fit wie ein Turnschuh in die Kameras grinsen, die haben keine Ahnung davon, wo die Belastungsgrenze eines jungen, gesunden Menschen tatsächlich liegt. Die sollten sich einmal fragen, wie es den Soldaten geht, die nach einer Woche Kampfeinsatz im Schützengraben noch einmal zum Sturmangriff auf die feindlichen Stellungen getrieben werden.

Arbeitnehmer, die mit dem Gehalt nicht auskommen, gesetzlich Versicherte, die  über Zuzahlungen stöhnen, befinden sich von der Belastungsgrenze noch weiter entfernt als die Stabsoffiziere im Petagon von der Front. Die halten schon kleine Einschränkungen im Lebensstandard für die Grenze ihrer Belastbarkeit mit Steuern und Abgaben. Dagegen sehen Flaschen sammelnde Armutsrentner ja noch maximal stabil und belastbar aus, von Menschen in den Hungergebieten dieser Erde ganz zu schweigen, die sich freuen würden, wie die Schneekönige, könnten sie nur einmal für einen Monat mit dem Nettogehalt eines deutschen Mindestlohnempfängers  bei Aldi einkaufen gehen.

Bürgermeister, die jammern, die Einnahmen aus Steuern und Gebühren würden nicht mehr ausreichen, um alle gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben zu erfüllen, machen es sich heute noch leicht, wenn sie einfach reklamieren, die Belastungsgrenze sei erreicht. Wenn nicht mehr genug Geld für alles da ist, muss man eben Prioritäten setzen und sich auf das wirklich Notwendig konzentrieren, und wenn es dafür nicht mehr reicht, geht es halt ans Eingemachte. Wichtig ist nur, die Stadt und ihre Bürger noch irgendwie als Notgemeinschaft zusammenzuhalten.

Wie kann man nach nur drei Jahren Ampel schon vom Erreichen der Belastungsgrenze fabulieren!

Wir stehen doch erst am Anfang. Wir haben noch eine in Deutschland produzierende Automobilindustrie, die Chemieindustrie ist auch noch nicht vollständig weg, es wird noch Stahl gekocht und  Zement gebrannt. In den Supermärkten sind viele Regale noch voll. Es gibt auch noch durchgehend Strom. Die meisten Brücken stehen noch. Die Wasserversorgung ist stabil. Luftschutzalarm hatten wir seit achtzig Jahren nicht mehr …

Weit und breit keine Belastungsgrenze in Sicht!

Alles  gut. War schon mal besser, ja. Aber noch ist doch alles gut.

„Belastungsgrenze“ ist nicht steigerungsfähig, wer die überschreitet, ist erledigt. Ungünstige Umstände sind durchaus steigerungsfähig. Das haben Scholz, Habeck und Lindner, seit sie die Regierungsgeschäfte übernommen haben, doch bewiesen. Merz, Habeck und Klingbeil werden nach dem 23. Februar den Beweis antreteten, dass auch eine grün-rot-schwarze Koalition da noch ein paar Schippen drauflegen kann. 

Das bringt uns aber immer noch nicht an die Belastungsgrenze. Natürlich können wir nächstes Jahr den Arbeitsweg mit Fahrrad zurücklegen, wenn sich Autofahren aus Geld- oder Strommangel nicht mehr realisieren lässt. Dass das vielleicht ein bisschen länger dauert, macht nichts. Man spart sich damit doch auch die Zeit für das Fitness-Studio, und das Geld dafür kann man schon wieder für die Nebenkostenabrechnung zur Seite legen.  Keine Arbeit mehr zu haben, macht dann auch nichts. Die wird dann schon zugewiesen, vom Bürgergeldamt. Das nächste Krankenhaus fünfzig Kilometer entfernt? Ja, wer wird denn gleich krank  werden wollen, wenn’s ungemütlich wird? Hm? Zähne zusammenbeißen – dann wird das schon wieder. Wer noch lebt, hat die Belastungsgrenze noch nicht überschritten.

Natürlich können wir auch mit russischen Vergeltungsschlägen für die Taurus-Lieferungen an die Ukraine umgehen. Atomwaffen wird er schon nicht einsetzen, der Putin, alles andere halten wir schon aus, und Opfer müssen gebracht werden. Das war schon immer so.

Aus den Prognosen der Demoskopen für das Wahlergebnis lese ich eine gewisse Sehnsucht heraus, endlich an die wirkliche Belastungsgrenze geführt zu werden. Sich einmal so heroisch fühlen wie Reinhold Messner ohne Sauerstoff auf dem Achttausender. Ist das der Deutschen wahre Bestimmung, die sie sich unbeirrt herbeiwählen wollen? Es sieht so aus – und so verkehrt ist das nicht.

Für alle, die nicht wissen, was sie sich zutrauen und zumuten können, welche physischen und psychischen Kräfte sie mobilisieren können, ist es ein heilsamer Prozess, gewaltsam an die Belastungsgrenze geführt zu werden.

Man erkennt dabei, worauf es wirklich ankommt, wirft ab, was mehr belastet als es nutzt, und konzentriert sich voll darauf, das eine, einzig wichtige Ziel lebend zu erreichen. Man entdeckt nie für möglich gehaltene Leistungsreserven in sich – und kehrt, wenn man überlebt hat, mit gestärktem Selbstvertrauen und einem neuen Selbstbewusstsein in ein neues, selbstbestimmtes Leben zurück.

Gute Zeiten schaffen schwache Männer. Schwache Männer schaffen harte Zeiten.

Die harten Jahre stehen uns erst noch bevor.